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Ausstellungen: München · von Heinz Schütz · S. 358 - 359
Ausstellungen: München , 2006

Heinz Schütz
Bühne des Lebens. Rhetorik des Gefühls

Kunstbau – Städtische Galerie im Lenbachhaus, München 8.4. – 9.7.2006

Weinende Männer galten lange Zeit als unmännlich. Ihr Auftritt widersprach dem herrschenden Männlichkeitsideal. Inzwischen richten sich die Fernsehkameras auf öffentliche Politikertränen. Das am weitesten verbreitete deutsche Boulevardblatt setzt das Tränen überströmte Gesicht eines omnipräsenten Fernsehprominenten groß auf die Titelseite. Zwei Schlussfolgerungen liegen nahe: Das tradierte Männlichkeitsbild hat sich geändert. Und: Gefühle erregen gegenwärtig besondere öffentliche Aufmerksamkeit. Vor der Folie des kalten Techno-Kapitalismus erscheint der Gefühlsbereich als der letzte Ort der Wärme. Als Erbe des Bürgertums wurden Gefühle lange Zeit der Privatsphäre zugerechnet. In einer hochmediatisierten Gesellschaft, die ihre Kameras bis in die letzten Winkel des Privaten richtet, hat sich dies offensichtlich geändert.

“Der Bühne des Lebens” und der “Rhetorik der Gefühle” widmet sich die von Susanne Gaensheimer und Nicolaus Schaffhausen kuratierte Ausstellung. Bühnen sind gewöhnlich Orte der öffentlichen Zurschaustellung und der gespielten Gefühle. Damit stehen sie durchaus im Widerspruch zu dem Anspruch auf Privatheit und Authentizität mit dem einst das Bürgertum das Gefühl gegen das barock-absolutistische Theater der Öffentlichkeit in Stellung brachte. Im Barock erlebte denn auch die bis auf Platon zurückreichende Metapher von der Welt als Bühne ihre exzessivste Verwendung und Bestätigung. Wenn nun in der Ausstellung Gefühl mit Bühne und Rhetorik in Verbindung gebracht wird, wird damit durchaus auch ein Beitrag zur heute schwelenden Neoromantizismusdebatte geleistet: Das Subjekt tritt als Schauspieler seiner selbst auf die Bühne und geriert sich so, als ob es noch existierte.

Sieht man von Fußballstadien ab, wo kollektive, aber nicht…


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