Cindy Sherman
Sie ist es – ist es nicht. Immer wieder betont Cindy Sherman – zu recht -, daß sie keine Selbstporträts anfertigt. Sie betrachtet sich lediglich als Protagonistin ihrer Fotobilder. Darin verkörpert sie verschiedene Rollen, die Hure sowohl wie die biedere Hausfrau, die Piratin und das Collegegirl, die schmachtende Liebende und die verlassene Ehefrau, das Ausklappmädchen und die feine Dame. Sie leiht diesen Gestalten Gesicht und Figur, gestaltet in einer Art One-Woman-Show verschiedenartige Rollen. Dabei ist sie alles in einer Person: Darstellerin, Kamerafrau, Regisseurin, Bühnenbildnerin, Choreografin und Beleuchterin. Inspirieren läßt sie sich von vorgefertigten Bildwelten; der Film, das Fernsehen, die Werbung und die illustrierten Magazine liefern Anstöße. In jüngster Zeit verarbeitet sie auch literarische Impulse – schöpft aus Sagen und Märchen Stoff für ihre Fantasiegebilde. Dennoch: Zufall ist es nicht, daß sie allein das Repertoire bestreitet. Sämtliche Rollen, die sie verkörpert, sind gesellschaftlich definierte Rollen. Selbst die, die aus der Märchenwelt stammen. Außerdem besitzen die Rollen, die Cindy Sherman für sich auswählt, einen repräsentativen Zug. Sie agiert nicht als unverwechselbares Individuum, sondern zielt mit ihrer Darstellung jeweils auf einen bestimmten Typus von Frau. Jeder Typus weist, weil gesellschaftlich festgelegt, eine Tendenz zum Klischee auf. Ein Menschentyp ist unweigerlich das Produkt einer gedanklichen Anstrengung. Andererseits bleibt Cindy Sherman mit ihrem Rollenspiel der gesellschaftlichen Wirklichkeit auf den Fersen. Keine Frau, die nicht innerhalb ihres Lebens eine Reihe der von ihr skizzierten Rollen durchläuft. Insofern bindet sich auch jede Gestaltung mehr oder weniger eng an die individuelle Persönlichkeit der Autorin. Darüber hinaus spiegelt…