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Titel: Kunst und Philosophie · S. 184 - 185
Titel: Kunst und Philosophie , 1989

Dietmar Kamper
Das Dreieck: Van Gogh, Malewitsch, Duchamp

ZEHN VORLÄUFIGE THESEN

1. Die Avantgardebewegungen der modernen Kunst vollziehen sich längst nicht mehr auf einer Linie, sondern sie spielen sich – durch Wiederholung ähnlicher Fluchtpunkte – auf einem Feld ab, das als “Dreieck” beschrieben werden kann, als Dreieck von “Expression”, “Abstraktion” und “Ready-made”.

2. Es hat den Anschein, als ob diese drei Fluchtbewegungen trotz behaupteter Unabhängigkeit vielfältig miteinander verspannt sind: Sie reagieren unterschiedlich, aber entschieden, auf eine einzige Not der Zeit, auf die mittels gesellschaftlicher Zurichtung forcierte Enteignung der menschlichen Wahrnehmung.

3. Die den Ecken zugeordneten Namen: van Gogh, Malewitsch, Duchamp stehen also beispielhaft für diverse Richtungen der modernen Kunst, die durch ausgesprochene Strategien für die Expansion des Feldes gesorgt und den drohenden Verlust einer zuverlässigen äußeren Welt zunächst abgewehrt haben.

4. Unter der Hypothese, daß es der modernen Kunst im genannten Dreieck um eine “Rettung des Außen” ging, läßt sich allerdings an van Gogh (1853 – 1890), Malewitsch (1878 – 1935), Duchamp (1887 – 1968) demonstrieren, wie entschieden und unterschiedlich die Arbeit getan wurde.

5. Van Goghs “Expression” meint Ausdruck von Leiden, von Leiden der Kreatur und der Natur, meint Sprengung des gegebenen Zwangsverhältnisses im menschlichen Dasein, meint Ausbrechen aus dem Gefängnis von Körper und Kopf durch Mimesis des Schreckens, bis zur säkularisierten “Imitatio Christi”; die Strategie heißt: Intensität der Exstase.

6. Die “Abstraktion” von Malewitsch will die Abstraktion der Gesellschaft überbieten, will Suprematie durch Affirmation dessen erreichen, woran man im geheimen verzweifelt ist; das bedeutet Verlassen der Gegenständlichkeit, Vernichtung des Horizontes, dagegen Heiligung der künstlerischen Mittel,…


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