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Kommentar · von Michael Hübl · S. 482 - 483
Kommentar , 1998

Michael Hübl
Gedenken zwischen Event und Kuschelecke

Eine Anmerkung

Briten sollen in Birmingham den deutschen Repräsentanten beim “Grand Prix de la Chanson” mit leichtem Befremdem zur Kenntnis genommen haben. Guildo. Klingt für Angelsachsen vielleicht doch eine Spur zu sehr “guilty”. Also irgendwie German. Zumal Guildo mit seiner ostentativen Gefühligkeit allemal das Klischee bestätigt, den Teutonen eigne ein gehöriges Quant an Irrationalität. Außerdem ist die Schuldfrage weiterhin aktuell. Am geplanten Holocaust-Mahnmal mögen sie’s erkennen.

Die Pietät verbietet es, Guildo Horns Nußecken auch nur näherungsweise mit jenen nunmehr 2700 Betonstelen in Beziehung zu bringen, die Peter Eisenman in seinem überarbeiteten Entwurf vorgesehen hat. “Überall im Lager verstreut lagen verwesende menschliche Körper. Die Gräben der Kanalisation waren mit Leichen gefüllt, und in den Baracken selbst lagen zahllose Tote, manche sogar zusammen mit den Lebenden auf einer einzigen Bettstelle1,” berichtete Glyn Hughes, Sanitätsoffizier der Royal Army, über seine Eindrücke nach dem Betreten des Lagers Bergen-Belsen. Ein Beispiel. Nur eines. Von vielen. Da läßt es der Respekt vor den Opfern durchaus nicht zu, einen Zusammenhang herzustellen zwischen den Vergnügungsbedürfnissen einer Fun-Society und dem von hohem ethischem Anspruch gestützten Bemühen, das augenscheinlich Unfaßbare in bildende Kunst zu fassen. Und doch besteht ein solcher Konnex.

Schon früh hat es Versuche gegeben, das Grauen des nationalsozialistischen Terrors im Bewußtsein zu halten. Sie wurden in den folgenden Jahrzehnten vielfach wiederholt. Bereits am 15. April 1946 hat man auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Bergen-Belsen zwischen den Massengräbern ein Mahnmal errichtet. Die Initiatoren vertrauten offenbar auf die sittigende Kraft der klassischen Form: Auf einem…


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