Michael Hübl
Großer Popanz auf dem Pulverfass
Das Prinzip Behauptung beherrscht den Umgang mit Kunst ebenso wie das Autonomiestreben einzelner Gruppen oder Ethnien
Angst vor der Gewalt der Sprache: Sie ist nicht nur berechtigt, wenn die Schalltrichter und Phrasenfanfaren der Propaganda tröten oder wenn Beschönigungsingenieure und Einlulllinguisten tödliche Euphemismen konstruieren wie Konzentrationslager (ist das nicht herrlich, ein Ort, an dem man sich richtig konzentrieren kann?) oder Kollateralschaden (klingt, als hätte es beim Rasenmähen zufällig ein paar Krokusse erwischt). Manchmal muss man auch Angst haben vor der Gewalt der Sprüche, der locker hingefloppten Sentenzen, bei denen jeder schmunzelt, lacht, wenn nicht gar Schenkel schlagend losprustet: Hossa, alter Schwede, kannoch wech, nä?
Und doch würde es zu kurz greifen, sollte jemandem einfallen, die Ursachen für den manchmal arg schnöden Umgang mit Kunst im bundesdeutschen öffentlichen Raum in der Gag-Kiste eines Comedian zu suchen. Tatsächlich kommt es immer wieder vor, dass bei Straßenarbeiten und ähnlichen Maßnahmen Plastiken behandelt werden wie Metallschrott. Oder die verspäteten Brüder und Schwester im Ungeiste des Entartete-Kunst-Wahns aktivieren ihr ach so gesundes Volksempfinden. Dann werden Urteile gefällt wie das des Landgerichts Bielefeld, welches der Stadt Minden im Jahr 2001 zugestand, über das stählerne „Keilstück“ (1987) des Bildhauers Wilfried Hagebölling nach Gutdünken zu verfügen. Hätte das OLG Hamm später nicht gegenteilig entschieden und das Urheberrecht über die Interessen kommunaler Kunstentsorger gestellt, wäre die Stahlplastik inzwischen womöglich zu Eisenbahnschienen oder Doppel-T-Trägern umgeschmolzen.
Wenn die Werke der Totalvernichtung entgehen, sind sie deshalb nicht unbedingt besser dran. Das „Keilstück“ steht zwar noch. Aber es wird offenbar…