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Essay · von Amine Haase · S. 140 - 147
Essay , 2014

Amine Haase
Verborgene Wahrheit – Offene Lügen

Wie Kunst und Philosophie miteinander zu leben versuchen

Ist die Lüge interessanter als die Wahrheit? Zumindest wird von ihr häufiger gesprochen und auch, wenn es um Kunst geht, heftiger über sie diskutiert – zumal in Zeiten spektakulärer Fälschungen, die als eine besondere Form der Lüge zu bezeichnen ist. Die Aufregung über erfundene Bilder von Heinrich Campendonk bis Max Ernst wird in allen Nuancierungen von Empörung, Zynismus bis Häme vermittelt. Die Erinnerung an Han van Meegeren und seine Vermeer-Variationen konnte mit Museums-Ausstellungen zelebriert werden, wobei es stets erwähnenswert schien, dass es dem phantasievollen Fälscher gelang, seine „Ehebrecherin“ an Hitlers kunstbegeisterten Reichsmarschall Göring abzusetzen. Schnell vergessen war der Scherz einiger kunstbegeisterter Studenten in Livorno, die selbstgemachte Skulpturen in einem Kanal versenkten und als echte Werke von Amedeo Modigliani herausfischten – pünktlich zu dessen hundertsten Geburtstag 1984. Immer wieder virulent sind Fragen nach Echtheit bei einer Reihe für Nachahmungen besonders gefährdeter Künstler – von Corot bis Mondrian. Form-gewordene Lügen lassen sich mit einigem natur-wissenschaftlichen Aufwand und kunsthistorischen Kenntnissen aufdecken, selbst ein so diffiziler Fall wie der einiger Darstellungen des Mondes, Tuschezeichnungen aus Galileo Galileis 400 Jahre altem berühmten „Sidereus Nuncius“.

Wie aber steht es um die Lügen der Malerei? Der Meister des gedanklichen Salto Mortale und malende Alchimist Sigmar Polke schuf 1994 das drei mal vier Meter große Bild „Die drei Lügen der Malerei“, das titelgebend für die große Retrospektive 1997/98 in Bonn und Berlin wurde. Durch das diaphane Polyestergewebe schimmern die Latten des Keilrahmens, die…


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