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Relektüren · von Rainer Metzger · S. 356 - 363
Relektüren , 2013

Rainer Metzger: Relektüren
Hans Blumenberg, Lebenszeit und Weltzeit, Frankfurt: Suhrkamp 1986

Folge 25

Seit langem kennt man im Betrieb den Typus des Künstlerkünstlers. Paul Thek war bis vor kurzem so einer, Dan Graham ist es immer noch, Figuren, die zu eigensinnig, selbstbezogen und mit ihrem Ding beschäftigt sind, als dass sie sich der Spektakelkultur fügten (und sich deswegen, das macht sie bei Kollegen so beliebt, auch der Konkurrenz eher enthalten). In diesem Sinn war Hans Blumenberg vielleicht so etwas wie ein Gelehrtengelehrter, ein Stichwortgeber im eher kleinen Kreis, bei der Forschungsgruppe „Poetik und Hermeneutik“ etwa und insgesamt bei Vertretern einer Philosophie, die in erster Linie Philosophiegeschichte war.

Dass der Kunstbetrieb, der die unmittelbare Brauchbarkeit von Thesen für die große Weltdiagnose schätzt und sie um so lieber bemüht, je verwegener und entsprechend aufmerksamkeitsheischender sie daherkommen, damit wenig anfangen konnte, liegt auf der Hand. Blumenberg war anders als die vielen anderen Bs von Butler über Baudrillard zu Bourdieu bis zu seinem Tod im Jahr 1996 kein Einflüsterer fürs Ästhetische. Gerade Niklas Luhmann, sein einschlägiger, zwei Jahre später zu Grabe getragener Gegenspieler, hat ihm da gleichsam lässig etwas vorgemacht. 2011 ist Blumenberg von Seiten der Literatur der Versuch einer Ehrenrettung widerfahren. Sibylle Lewitscharoffs Roman, der des Akademikers Namen als Titel führt, kommt mit der wunderbaren Idee eines nächtlichen Besuchs an, der in Gestalt eines Löwen in Blumenbergs Studierstube platzt und sich niederlässt, als gälte es dem Heiligen Hieronymus zu huldigen. Dass dabei eher das Skurrile, Verschrobene, zu Kants Zeiten hätte man gesagt: Hagestolz-artige eines genuinen…


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