Rainer Unruh
Mahjong
»Chinesische Gegenwartskunst aus der Sammlung Sigg«
Hamburger Kunsthalle, Galerie der Gegenwart, 14.9.2006 – 18.2.2007
Arkadien liegt in China, und es ist ein Land, in dem fröhliche Reiter Pferde über eine saftige Wiese treiben, auf der blaue Blumen wie Edelsteine leuchten. So hat es Guang Tingbo in “I Graze Horses for My Motherland” 1973 gemalt, und wer heute im Wirtschaftsteil der Tageszeitung die neuesten Nachtrichten über Chinas Turbokapitalismus liest, der kann sich nur wundern, dass sich das Reich der Mitte einst als Agraridylle feierte. Sozialistische Propaganda eröffnet die Ausstellung “Mahjong” in der Galerie der Gegenwart der Hamburger Kunsthalle, und das ist nur konsequent, denn der Personenkult um Mao und die Techniken der Inszenierung von Macht sind Themen, die auch nach dem Ende des Übervaters der chinesischen Revolution die Künstler beschäftigen.
Wang Guangyi legt über sein schwarzweißes Mao-Bildnis von 1986 ein rotes Raster: schlicht, aber effektiv, denn dieser simple Kunstgriff macht sichtbar, was die Propaganda verbergen möchte, dass nämlich das Image des KP-Vorsitzenden eine Konstruktion ist, die nicht anders lanciert und beworben wird als ein Markenartikel im Westen. Erwartungsgemäß fällt es den chinesischen Künstlern auch nicht schwer, den Einbruch der kapitalistischen Warenwelt seit den 70er und 80er Jahren ähnlich ironisch zu kommentieren wie zuvor die kulturelle Hegemonie des Sozialismus. Ai Weiwei, einer der wichtigsten chinesischen Gegenwartskünstler, bemalt 1994 eine 2000 Jahre alte Urne aus der Han-Dynastie mit dem Coca-Cola-Logo, während Chang Xugong die Welt der Neureichen in glitzernd-kitschiger Seidenstickerei auf die Leinwand bannt.
Figurative Malerei bildet einen Schwerpunkt der rund 300 Werke…