Michael Hübl
Picasso, Heros der Senioren?
Vielleicht sind die Huldigungen an das Spätwerk des Künstlers nur Ausdruck des demographischen Wandels
Die Welt hat angeblich einen neuen Erdteil. Wohl ist es einige Zeit her, dass die letzten weißen Flecken auf den Landkarten des Planeten eingekreist und erforscht wurden. Und spätestens seit der Ausbreitung des World Wide Web samt seiner Vernetzung mit den Satellitensystemen, die den Erdball gleichsam im Auge behalten, scheint der Globus auf das Format jenes Dorfes geschrumpft, von dem Marshall McLuhan 1962 in seinem Wissenschafts-Bestseller “The Gutenberg Galaxis” sprach – auch wenn die Metapher heute zu niedlich wirkt im Vergleich zu den tatsächlichen Entwicklungen. Zwar sah es also bislang danach aus, als suche man hienieden vergeblich nach einem Rest terra incognita, aber dann wurde doch noch Neuland entdeckt. Sein Name: Picasso. Vom “Kontinent Picasso” 1 war mit einem Mal wieder die Rede. Wie viele solcher griffigen Wortverbindungen sollte auch diese Formulierung als Metapher verstanden werden. Mit dem “Kontinent Piacasso” waren die außergewöhnlichen ästhetischen Dimensionen gemeint, die der Maler, Graphiker, Plastiker und Theaterautor Pablo Ruiz y Picasso mit seiner Kunst erschlossen hatte. Allenthalben stieß man jetzt wieder auf seinen Namen und seine Kunst. Obschon sie doch bereits bei seinem Tod am 8. April 1973 wie ein Relikt aus einer abgeschlossenen Epoche ausgesehen hatte. Ein Stück Kunstgeschichte.
Picasso ein Kontinent? Der Begriff ist von einem lateinischen Verb für “zusammenhalten” abgeleitet. Dabei war es das Gegenteil, das Picasso berühmt machte. Sein nachgerade monumentales Gemälde “Les Demoiselles d’Avignon”, 1907 gemalt und drei Jahrzehnte später anlässlich…