Heinz-Norbert Jocks
Martin Kobe
Die Kunst der Vereinzelung
Was führte dich von Dresden nach Leipzig? Wie erlebtest du die Stadt?
Es stimmt, Anfang der 90er Jahre zog ich von Dresden nach Leipzig, um dort an der Akademie Malerei zu studieren. Nach dem Vordiplom war ich in der Fachklasse von Professor Rink, später sein Meisterschüler. Leipzig erschien mir damals so gedrängt wie eine Zelle. In vielerlei Hinsicht aber auch vital. Atmosphärisch herrschte mehr Klarheit als in Dresden. Dafür war man aber dort, wo ich herkam, von Kunst umgeben, besser noch, von einem gewachsenen Kunstanspruch. Da er aus der Geschichte herrührt, natürlich viel selbstverständlicher als in Leipzig, wo man sich das erst hart erarbeiten muss. Das wird dann umso zwingender.
Welche Situation fandst du an der Hochschule vor?
Dort gab es zu Anfang der 90er Jahre aufgrund ihrer Neuorientierung auch Auflösungstendenzen und damit verbunden ein Nichtvorhandensein von Strukturen. Vermittelt wurde eine Kunst der Vereinzelung, des Sich-Selbst-Überlassenseins, der Verantwortlichkeit sich selbst gegenüber. Eine Zeit, in der man sich vergewisserte, indem man immer tiefer grub. Wenn man Glück hatte, wusste man am Ende, wo man angesiedelt ist. Ab dem dritten Jahr wurde die Strenge des Urteils so wichtig wie der Kanon dessen, was gelten kann, und zwar wider die Beliebigkeit. Das war ein großes Thema. Der Begriff der Leipziger Schule” war als eine Art Schulgeist präsent, der, sich immer mal zeigend, neugierig betrachtet wurde. Er geriet aber nie wirklich in mein Blickfeld. Seit unserer Zuordnung zur Leipziger Schule durch die Massenmedien versuche ich nachzuvollziehen, warum das so ist, aber…