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Ausstellungen: London · von Edgar Schmitz · S. 413 - 414
Ausstellungen: London , 2000

Edgar Schmitz
Neurotic Realism: Part Two

The Saatchi Gallery, London, 16.9. – 5.12.1999

Neurosen sind ein Spiel mit doppeltem Boden, eine endlose Folge von zwingenden Verbindungen und geheimen Kettenreaktionen. Das einzelne kommt in ihnen nur als Eingespanntes vor, mindestens zweifach zu lesen und immer eingebunden in ein übergreifendes Feld von Abläufen und Zusammenhängen.

In Saatchis Neurotic Realism projiziert Tom Hunter Vermeers ikonische Briefeleserin am Fenster in das London der besetzten Häuser und ersetzt die Liebesbotschaft durch eine Räumungsaufforderung, das bürgerliche Interieur durch ein besetztes Haus, und Malerei durch Fotografie. Die Übernahme ist komplett und besteht doch gleichzeitig auf der Gültigkeit des Bildes als Garant von Würde und Schönheit.

Mark Hoskings Aneignungen verlaufen in entgegengesetzter Richtung. Nach Anleitungen zur Herstellung von Werkzeugen aus Altmetall in Handbüchern der UNO baut er grell lackierte, aber potentiell utilitäre Objekte, die auch wie Stahlskulpturen der späten Hochmoderne aussehen. Sie sind als Kommentar zu formaler Autonomie und Nutzwert zu lesen, aber auch als Denkbild künstlerischer Produktion, in der die Aneignung von vorhandenen Resten neue, vorgeblich sinnvolle Konstellationen erstellt. Wo diese Gebilde aber als humanitäre Notmaßnahmen (Pumpen für Afrika, ein Ambulanz-Dreirad) immer mehr sind als lediglich einfache Nutzobjekte, geht Hoskings Nachdenken über Kunst bewusst in der Übermacht seiner Implikationen und unvereinbaren Versprechungen unter.

Während Saatchis Hallen für Hoskings Arbeiten einen gültigen Rahmen abgeben, sind sie für David Falconers gewundene, drei Meter hohe Säule aus naturgetreu bemalten Abgüssen von Rattenkadavern bestenfalls ein Ort zweiter Ordnung. Vermin Death Stack (1998) wurde ursprünglich für die Galerie der Künstlerbrüder Jake und Dinos Chapman produziert, eine schmutzig…


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