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Titel: Kunst und Geld · von Jürgen Raap · S. 180 - 181
Titel: Kunst und Geld , 2000

Parzival: Benefizgeld

Parzivals “Transparentjes-Thermoplastcollagen” sind Ergebnis eines thermischen Prozesses. Bei der Herstellung wird heißes Plastik über Papier gezogen. Dabei fügt Parzival (Frank Poersch) ungültiges Papiergeld und “Notgeld” aus den zwanziger Jahren so in den Bildträger ein, dass immer nur die Vorderseite sichtbar bleibt, während die Rückseite beim “Plastifizieren” verschwindet – eine Metapher auf den verschwundenen Wert.

Den Umgang mit Heißkleber, Inflationsgeld und Werbezetteln aus Supermärkten empfindet er als eine Tätigkeit, die mit jener eines Restaurators vergleichbar sei, “der allgemeine Wahrheiten” konserviert.1 So münden in diese Kombinationen von Relikten der deutschen Geldgeschichte mit aktuellen Werbebotschaften die Bewusstseinslagen verschiedener Zeiten und Generationen, wobei es lediglich einer Aufreihung von Superlativen wie “Klasse-Preis!”, “Schweine-Günstig!” und “Radikaler Sparverkauf!” bedarf, um über die Bloßstellung derlei sprachlicher Grellheiten den eigentlich nichtssagenden Aussagegehalt zu entlarven. Parzival: “Hier verschmilzt nicht nur Papier mit Plastik, sondern kommerzielle Vergangenheit und Gegenwart bilden eine neue Zukunft; die Transparentjes haben das Kapital konserviert. Wie viele Menschen jeder einzelne Geldschein berührt hat, lässt sich nicht mehr feststellen…”2

Die plakativen Niedrigpreis-Verheißungen der heutigen Reklame stehen den “absurden Zahlenkolonnen” auf den Inflationsscheinen diametral gegenüber. Heute gibt es eine Inflation an Waren bei relativ knappen Durchschnittseinkommen der Haushalte, 1923/24 jedoch “verschmolzen Armut und Reichtum in den Notgeldscheinen, machten alle Bürger zu Millionären und Milliardären”3, die allerdings für den Inhalt einer Aktentasche voller Geldbündel höchstens einen Laib Brot bekamen.

Das “Notgeld” hatte laut Parzival einen Benefiz-Charakter: es besaß keinerlei Deckung, fast jede Kommune gab es als eine Art Warengutschein aus, damit wenigstens die Verrechnung der allernotwendigsten Güter des täglichen Bedarfs abgewickelt werden…

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