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Titel: publish · von Franz Thalmair · S. 44 - 45
Titel: publish ,

publish!

Publizieren als künstlerische Praxis
herausgegeben von Franz Thalmair

Was bedeutet es, wenn wir heute vom Publizieren in einem künstlerischen Umfeld sprechen? Angesichts sich verändernder Medienlandschaften und den daran geknüpften institutionellen Umbrüchen und diskursiven Verschiebungen, verhandeln KünstlerInnen die Methoden des Publizierens gerade neu. Das Buch bleibt zwar weiterhin zentrales Darstellungsmedium, der Umgang damit hat sich jedoch vom statischen Objekt hin zum vielseitigen Werkzeug gewandelt. Wie sich das Feld des Publizierens aus der experimentellen Kunstszene heraus entwickelt hat, wird im vorliegenden Band diskutiert. Die Titeldokumentation „publish! Publizieren als künstlerische Praxis“ stellt dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da dies der transdisziplinäre Charakter und die Allgegenwart des Publizierens in den unterschiedlichsten künstlerischen Zusammenhängen gar nicht zulassen würde. Ziel ist es aber, die Frage nach dem Publizieren mit aktuellen ästhetischen, künstlerischen und gesellschaftlichen Diskursen zu konfrontieren.

In diesem Spannungsfeld beschreibt Annette Gilbert in „Vom Rand ins Zentrum – Vom Buch zum Publizieren“ die Akzentverschiebung, die das Publizieren vom Produkt zur Praxis erfahren hat. Zentral für die Literaturwissenschaftlerin ist die Frage, welche Art von Gesellschaft das Publizieren hervorbringt und wie das Handlungsfeld kritisch in die Herausbildung eines neuen Verständnisses von Öffentlichkeit eingreifen kann.

In „Auf der Seite wie im Raum“ vergleicht die Kunsthistorikerin Gudrun Ratzinger historische und aktuelle Kunstpositionen, die das Publizieren und das Ausstellen als gleichwertige Formen der (Re-)Präsentation von Kunst einsetzen. Dies geschieht nicht, so ihre Argumentation, weil sich dadurch eine modernistische Auffassung der Essenz eines Mediums ausdrückt, sondern weil die Unterschiede von Buch und Ausstellung spezifische Erfahrungen ermöglichen.

Dass sich der Boom des Publizierens nicht nur an der wachsenden Zahl von Büchern und Publikationen festmachen lässt, bearbeitet Marlene Obermayer in „Momente der Distribution“. Sie legt das Verlegen, Präsentieren und Archivieren als künstlerische Praxisform dar und fragt danach, ob die Orte der Distribution von KünstlerInnenpublikationen essentiell für das Schaffen derselben sind.

Im Aufsatz „In der Asche des Digitalen“ sichtet Hannes Bajohr das Feld des Publizierens aus einem gleichzeitig literarischen wie postdigitalen Blickwinkel. Bei den Definitionen, die in den vergangenen Jahren vermehrt zirkulieren, bleibt für den Autor und Schriftsteller unausgesprochen, dass das Postdigitale vor allem eine Welterfahrung bezeichnet, die sich unterhalb der Wahrnehmungsschwelle bewegt.

Ergänzt werden die Aufsätze mit Gesprächen mit KünstlerInnen, VerlegerInnen und LiteratInnen: Eva Weinmayr und Rosalie Schweiker sprechen über ihre kollaborativen und dezentral angelegten Publikationspraktiken mit „AND Publishing“, die „Library of the Printed Web“ des in New York lebendenden Künstlers Paul Soulellis behandelt hingegen die Schnittstelle von analogen und digitalen Methoden des Publizierens anhand eines Archivs, das unlängst von der Bibliothek des MoMA in seine Sammlung aufgenommen wurde. Mariana Castillo Deball und das Kollektiv Slavs and Tatars erläutern eine spezifische künstlerische Praxis, die sich nicht nur im Aus-stellungs-, sondern vor allem auch im Buchraum manifestiert und bei der das Buch weit mehr als nur als ergänzendes Medium der Kunstproduktion verstanden wird. Franziska Brandt und Moritz Grünke geben Einblick in ihren Verlag „Gloria Glitzer“, ebenso wie Hubert Kretschmer das „AAP – Archive Artist Publications“ in München vorstellt und spannen damit den Bogen von den 1980er-Jahren herauf bis in die Gegenwart. Zu guter Letzt sprechen sich Holly Melgard und J. Gordon Faylor in ihren Gesprächen für die Relevanz von Lyrik im postdigitalen Zeiten aus und lösen mit ihrer Vorstellung vom Publizieren die herkömmliche Vorstellung des Buches in den Pixeln des 21. Jahrhunderts auf.