Arbeit, Zeit – Getriebeschaden
Dissonante Perspektiven
Hans Ulrich Reck
Die Geschichte der modernen Technisierung, die stetig beschleunigte Abfolge von Revolutionen in Kommunikations- und Fertigungstechnologie markieren gewiss entscheidende historische Zäsuren im Umgang mit der Zeit und damit auch der gesellschaftlichen Regulierung von Arbeit. Unübersehbar sind die Implikationen und Folgen dieser Entwicklung. Auch die im einzelnen benennbaren Tendenzen dieses Einschnittes formen im Ganzen keine einheitliche Richtung aus. Der Umgang mit Zeit ist ebenso komplex geworden wie der mit der Relevanz von Arbeit. Beides erweist sich als prekär. Einfache Kennzeichnungen für eine gesamtgesellschaftlich gültige Perspektive gibt es nicht.
SPIEL ALS ARBEIT, STRESS ALS LEBENSFORM
In der eindrucksvollen Arbeit von Joscha Steffens HUMANS – Teen Spirit Island Pt. I und Pt. II, einer Diplomarbeit an der Kunsthochschule für Medien Köln 2015, in welcher Steffens rund um die Welt die Wettbewerbe der Hochleistungsvirtuosen in Computerspielen besucht, sie beobachtet, ihre Protagonisten interviewt, so gut es geht ihre Lebensweise teilt, diese zumindest an sich selber zeitweilig ausprobiert, wird sichtbar, was die technisch gestützte Zeitintensivierung mit Menschen macht. Die Portraits, die Steffens von den Akteuren gefertigt hat, sind Bildnisse von Helden, Profispielern der League of Legends, einem Online Computerspiel mit mehr als 70 Millionen registrierten Usern (für das Jahr 2015). Joscha Steffens schreibt dazu: „Die Spieler sind männlich, zwischen 17 und 23 Jahren alt, haben eine veritable Fangemeinde, geben Autogramme und werden von Chauffeuren zwischen den Spielorten, Hotels und Flughäfen hin und hergefahren. Ich bin den besten Spielern der Welt auf den Europaund Weltmeisterschaften gefolgt: Köln, Göteborg, Los Angeles, Katovice, Busan und…