JAMES TURRELL
The Substance of Light
Museum Frieder Burda 09.06. – 28.10.2018
von Johannes Meinhardt
Die europäische Geistesgeschichte ist von Anfang an, seit mehr als 2500 Jahren, durch einen nicht auszurottenden, da konstitutiven Platonismus geprägt. Für diesen liefert das Licht die wesentliche Metapher, die jedoch nicht als Metapher, sondern als Zusammenhang der verschiedenen ontologischen Bereiche verstanden wird: das Licht, das Sichtbarkeit schafft, Räume erst eröffnet und Gegenstände erst sichtbar und erkennbar macht, transzendiert die materielle Welt; seine Immaterialität (die nüchtern gesehen nur bedeutet, dass es Energie innerhalb der materiellen Welt und nicht Materie ist) wird als identisch mit der Immaterialität des menschlichen Geistes (einem innerweltlichen Jenseits der Welt der Materie, der Welt des menschlichen Bewusstseins) und der Immaterialität des Göttlichen (der religiösen und spirituellen Welt der platonischen Ideen, die die materielle Welt transzendiert) gesetzt und verstanden. Turrell: „In a way, light unites the spiritual world and the ephemeral, physical world.“
Schon die Neuplatonik hatte aus dieser Identität der verschiedenen Immaterialitäten des Lichts eine ästhetische Kategorie abgeleitet: das Erhabene. Das Erhabene entspringt vor allem der Erfahrung der Unendlichkeit, der erfahrbaren Unfassbarkeit des Unendlichen etwa der Natur – und ist damit im Grunde nicht von der religiösen oder spirituellen Sphäre ablösbar. Und so wie Kant das Erhabene besonders in der Unermesslichkeit und Unendlichkeit des (vor allem nächtlichen) Himmels erfuhr, so will James Turrell in seinen Skyspaces (geschlossenen Räumen, die eine geometrisch strenge, rahmende Öffnung zum Himmel aufweisen) eine erhabene Erfahrung des Unendlichen vermitteln.
Das dahinter liegende Problem ist die Deutung bestimmter Wahrnehmungsphänomene: diese können naturwissenschaftlich gedeutet werden,…