Volker Handloik
Streetwork II
PAROLEN IM STURM
FOTODOKUMENTATION SUSANNE SCHLEYER
Die mehr als zwanzig Meter hohen Rüstungen standen noch.
Das farbige Wandbild war fast fertig geworden; der Berliner Bär an der Ecke Schönhauser Allee/Cantianstadion kickte den Ball schon munter in Richtung des Sportplatzes.
Da widerfuhr ihm ein fatales Mißgeschick, denn eines Nachts erschlichen Vandalen und Schmierfinken die Gerüste und ließen Farbbeutel über dem herrlichen Wandbild zerplatzen und machten so in einer Nacht die Arbeit einer ganzen Brigade der PGH “Farbenspiel” zunichte.
Dieses Ereignis liegt mittlerweile schon mehr als zwei Jahre zurück, und inzwischen hat sich die Landschaft der Städte, ihr kollektivierender Charakter eindimensionaler urbaner Zeichenstrukturen in den einer wilden Intervention durch Plakat- und Graffitiguerilla verwandelt, der eine solche eben geschilderte Begebenheit zu einer nebensächlichen werden läßt – ganz im Gegensatz zu dem Aufruhr, der damals verursacht wurde.
An einem nur selten und zumeist zaghaft angezweifelten staatlich wie ideologisch monopolisierten Anspruch auf Gestaltung der Außenwände wird nun die Okkupation eines neuen Mediums – der Stadt als Raum der Verteilung von Informationen selbst – geprobt, und aus der Exekution des normierten Urbanen entsteht die Exekution der Zeichen durch sich.
Es war schon weit nach Mitternacht, etwa gegen ein Uhr.
Ich ging von der Schönhauser kommend die Kastanienallee hinunter. Gerade mit dem Zug in Berlin angekommen, strebte ich nach Hause, als ich an diesem Knotenpunkt Ost-Berlins mehrere junge Männer bemerkte, die, mit Pinsel und Plakaten bestückt, Häuserwände, die schon vor ihnen durch ebenso wilde Plakataktionen benutzt wurden, großflächig mit ihrer Information überklebten. Die vielfältigen Handzettel, Aufrufe, Pamphlete, Konzertankündigungen, Kulturprogramme wurden unisono durch…