Rainer Unruh
Wunder
»Kunst, Wissenschaft und Religion
vom 4. Jahrhundert bis zur Gegenwart«
Deichtorhallen, Hamburg, 23.9.2011 – 5.2.2012
Wunder gibt es immer wieder, trällerte Katja Ebstein schon in den Siebzigern, und manchmal finden Sie sogar den Weg in eine Ausstellung. Die „Wunder“-Schau in den Hamburger Deichtorhallen mit dem leicht größenwahnsinnigen Untertitel „Kunst, Wissenschaft und Religion vom 4. Jahrhundert bis zur Gegenwart“ mischt munter durcheinander, was sonst säuberlich getrennt ist: den Kopf einer V2-Rakete, von der nationalsozialistischen Propaganda zur „Wunderwaffe“ erklärt, mit dem Eurasienstab von Joseph Beuys, ein Bild nach Caravaggio („Der ungläubige Thomas“, um 1650) mit Requisiten aus Harry-Potter-Filmen.
Kurator Daniel Tyradellis legitimiert diesen Mix von kulturgeschichtlichen Exponaten einerseits und den im engeren Sinne künstlerischen Werken andererseits mit der produktiven Verunsicherung des eigenen Schauens. In der Tat gibt es jede Menge wunderbare Kunst zu sehen: James Turells Lichtquadrat „Afrum pale blue“ von 1969 schwebt scheinbar schwerelos in der Ecke eines Kabinetts, Katharina Sieverdings Video „Die Sonne um Mitternacht schauen“ (2010) zeigt eine orange glühende, pulsierende Scheibe, und Fiona Tan kontrastiert einen Text von Marco Polo mit zwei Filmen, von denen der eine die bittere Realität in den Ländern zeigt, die Marco Polo damals angeblich besucht hat, während das andere eine Wunderkammer von der Art beschwört, wie sie der Reisende gesehen haben könnte.
Starke Arbeiten, die jede Ausstellung schmücken. Nur wird nicht so recht klar, in welchen Bezug sie zum Thema „Wunder“ stehen. Jedes der Werke lässt sich auch ohne Bezug auf eine transzendente Wirklichkeit untersuchen. Oder doch nicht? „Kunst besetzt genau jene Lücke, aus der…