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Ausstellungen: London · von Edgar Schmitz · S. 388 - 389
Ausstellungen: London , 2010

Edgar Schmitz
Ai Weiwei: Sunflower Seeds

»Keramikhostien für die globalisierte Kunstwelt«
Tate Modern, London, 11.10.2010 – 2.5.2011

Der Gestus ist der des Schenkens, einer Gabe, die dem Publikum hier aus China und durch Vermittlung der Tate präsentiert wird: Ai Weiwei hat einhundert Millionen Sonnenblumenkerne aus China in die Turbinenhalle des Londoner Kunsttempels importiert und klagt damit Kontaktmöglichkeiten ein, zwischen China und dieser doch sehr weit entfernten Halle, zwischen der Idee der Masse und dem individualisierten Betrachter, der allzu bereit erscheint, die Kerne dann auch wirklich als Bildnis von oder zumindest Metapher für das chinesische Volk zu lesen. Auch die Spannung zwischen Vereinheitlichung/ Masse und individueller Differenzierung – dass alles so gleich aussieht und doch natürlich je einzig ist – flößt hier Ehrfurcht ein, und die Arbeit kann eigentlich nur noch mit dem Eingeständnis westlich eingeschränkter, eurozentrischer Perspektivik in der Kunst usw beantwortet werden: mit dem Eingeständnis, dass es eine ungleiche Gewichtung gebe, dass Kunst eben immer auch soziale und zunehmend geopolitische Realitäten reflektiere, und dass gerade China faszinierend sei, weil in seiner Massung eben auch so etwas wie ein Versprechen liege, das der Westen sich ja schon länger am Horizont pflegt. Die 1001 nach Kassel deplatzierten Chinesen, die Ai Weiwei 2007 zur documenta 12 beitrug, operierten in einem ähnlichen Spannungsfeld.

Dass die Sonnenblumenkerne aber keine sind, sondern vielmehr aus Keramik gemacht und dann je einzeln angemalt wurden, ändert daran viel und wenig. Viel, insofern die Geste hinter dem Aufwand von Produktion und Deplatzierung fast verschwindet, insofern die Gabe hier hinter dem Objekt…



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