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Ausstellungen: Hamburg · von Rainer Unruh · S. 230 - 233
Ausstellungen: Hamburg , 2018

Alice Neel

Painter of Modern Life
Deichtorhallen 13.10.2017 – 14.01.2018
von Rainer Unruh

Malerei ist ein Dialog, und der wird wahrscheinlich niemals intensiver geführt, als wenn das Gegenüber des Künstlers etwas ist, das ihm ähnelt: ein Mensch. Alice Neel (1900 – 1984) war ihr Leben lang fasziniert von den Personen, denen sie begegnete, und sie hat nie aufgehört, sich für das zu interessieren, was ein Individuum ausmacht. Dabei fließen in die 110 Werke aus sechs Jahrzehnten, die in den Deichtorhallen in chronologischer Abfolge gezeigt werden, neben einer seismographischen Sensibilität für die Tektonik der Seele auch stets die Zeitumstände in die Porträts ein: Man kann an der Kleidung ablesen, wann die Bilder entstanden sind, und manchmal merkt man auch, wie die stets figurativ malende Amerikanerin Aspekte der abstrakten Kunst ihrer Zeit aufgreift, ohne sich ihnen zu unterwerfen.

Alice Neel hat bis Mitte der Siebziger auf ihre Anerkennung warten müssen. Dafür gibt es viele Gründe: Ihr feinfühliger Psychorealismus passte weder in die Schablone des Abstrakten Expressionismus noch in die Schublade der Pop Art, ihr Bekenntnis zum Kommunismus machte sie in den USA zur Außenseiterin und erweckte das Interesse des FBI, das sie 1955 verhörte, und schließlich eckte sie mit ihrem freizügigen Lebensstil und ihrer burschikosen Art an, die bei Männern als Signatur einer Bohème-Existenz toleriert wurden, bei Frauen eher nicht. Als Alice Neel einmal die Warterei vor der Damentoilette nicht mehr aushielt und ihren Rock hob, um der Natur freien Lauf zu lassen, rümpfte man die Nase. Als hingegen Jackson Pollock 1943 bei der…


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