Vermittelte Präsenz
Das Museumserlebnis als Zeitkultur
von Peter J. Schneemann
Beobachtungen zweiter Ordnung
Die Literatur kennt den Museumsbesuch als sein eigenes Motiv. Walter Grasskamp hat in dem Sammelband „Sonderbare Museumsbesuche“, manche literarische Überhöhungen zusammengetragen.1 In dem Roman „Alte Meister – Eine Komödie“ beschreibt Thomas Bernhard 1985 das schweigende Verharren des Protagonisten vor den verhassten Meisterwerken als ambivalentes Ritual. „Die Leute begehen in den Museen ja immer den Fehler, dass sie sich zuviel vornehmen, dass sie alles sehen wollen, so gehen sie und gehen sie und schauen und schauen und brechen dann plötzlich, weil sie sich ganz einfach an Kunst überfressen haben, zusammen.“2 Der Besuch eines Museums führt meist zu Momenten der Beobachtung, die den Blick vom Exponat abschweifen lassen. Dem Raum der Inszenierung gilt ebenso die Aufmerksamkeit wie dem Verhalten der anderen Besucherinnen und Besucher.
Roman Ondák, der Analyst der Inszenierung und der Rituale des Kunstbetriebs, präsentierte auf der documenta (13), Observations, 1995/2011, eine wandfüllende Installation von kleinen gerahmten historischen Illustrationen ohne Quellenangabe. Sie stammen aus einem soziologischen Standardwerk aus den 1950er Jahren. Das Buch von J. Ruesch und W. Kees „Nonverbal Communication: Notes on the Visual Perception of Human Relations“, dokumentiert etwa die „Chain of perception: Spectators watch players; passers-by watch spectators“ oder „Unrelated individuals forming a group waiting to cross“.3 Beobachtungen der Konstellationen innerhalb der Ausstellungssituation selbst sind durch die Fotografien von Louise Lawler inzwischen ebenso Teil unserer Blickkultur wie das Beobachten der kollektiven Kunstbetrachtung, wie sie etwa Thomas Struth als eigenständige Komposition ikonisch werden ließ.
Der…