CHRISTIAN KRAUSCH
DER AUFWÄNDIGE PROZESS DES RITUALS
BEMERKUNGEN ZU DEN ARBEITEN VON BIRGIT JENSEN
Steht man auf dem alten Funkturm in Berlin am Rande des Messegeländes, so öffnet sich in panoramatischer Weise der Blick vom südlich gelegenen Dahlem, über die weite Flora des Grunewalds Richtung Westen, bis hin zum Flughafen Tegel im Norden der Stadt. Kaum eindrucksvoller aber kann der Blick sein, wendet man sich nach Osten, wohin sich die Stadt Berlin in ihrer ganzen Weite ausbreitet. Unüberschaubar ist das vom vergleichsweise westlich gelegenen Standpunkt aus betrachtete Meer der Architekturen, Straßen und grünen Inseln, anfangs noch deutlich akzentuiert, schnell aber zu einem verwobenen Teppich sich vereinend. Faszinierend gibt sich die Stadt erst recht bei Dunkelheit, die den Eindruck des Tages noch einmal zu übertrumpfen scheint. Vertraut sind die Bilder der erleuchteten Straßenfluchten, Brücken, Fenster und Kaleidoskope der Lichtreklamen, die dem Tagesgesicht der Stadt eine gänzlich neue Kontur verleihen. Es entsteht ein zweites Gesicht, durch Lichtpunkte, -konglomerate und -bahnen in sich deutlich strukturiert, dabei in seiner Gesamtheit nicht weniger rätselhaft als das Antlitz des Tages.
Birgit Jensen hat den nächtlichen Blick auf Berlin in sich und für sich aufgenommen. Ein vom Funkturm aus in Richtung Osten gemachtes Foto, das die erleuchtete Stadt mit ihren verschiedenen Lichtballungen etwa um das Europazentrum oder den Fernsehturm am Alexanderplatz in ihrer ganzen Weite zeigt, inspirierte die Künstlerin aktuell zu einer 140 x 350 cm großen Arbeit. Nicht als Foto, sondern als zweifarbiger Siebdruck auf Leinwand zeigt sich nunmehr das nächtliche Berlin unter dem Titel “BFA I” überraschend ungewohnt…