Cornelia Gockel
Der Blaue Reiter im 21. Jahrhundert
»Künstlerräume statt White Cube«
Neupräsentation im Lenbachhaus ab Herbst 2006
Als die Bilder des Blauen Reiters 1911 in der Galerie Thannhauser ausgestellt wurden, riefen sie beim Publikum einen Sturm der in Entrüstung hervor. Zu unerhört schienen die kräftigen Farben, die unabhängig von ihrem Darstellungswert ein Eigenleben in den dynamischen Formen führten. Einige besonders aufgebrachte Besucher bespuckten sogar die Gemälde, um ihren Abscheu vor der neuen Kunstauffassung deutlich zu machen. Die Bilder des Blauen Reiters sind inzwischen zu einem leicht konsumierbaren Kulturgut geworden, so dass sie selbst als Illustration in Grundschullesebüchern nicht mehr fehlen. Und Jahr für Jahr flanierten im Münchner Lenbachhaus Besuchergruppen in interesselosem Wohlgefallen an den Bildern vorbei, die einst die Gemüter erhitzten.
Die Bilder des Blauen Reiters sind inzwischen zu Ikonen der Moderne geworden. Hundertfach abgedruckt in Büchern, auf Postkarten und Kalenderblättern haben sie ihre ursprüngliche Sprengkraft eingebüßt. Aber wie kann man es schaffen, den Blick für die alten Bekannten wieder zu schärfen? Helmut Friedel, Direktor des Münchner Lenbachhaus, wagte nun im Zuge einer Neupräsentation ein ungewöhnliches Experiment. Mit Franz Ackermann, Thomas Demand, Olafur Eliasson und Katharina Grosse beauftragte er vier aktuelle Künstler sich mit dem Werk des Blauen Reiters auseinanderzusetzen und ihre Gedanken in raumbezogenen Arbeiten zu realisieren. Franz Ackermann gestaltete eine expressive Wandmalerei in Blautönen im Franz-Marc-Raum, die sich auf die Formensprache in Marcs Gemälden bezieht. Mit Thomas Demand ist die Tapete wieder in den Ausstellungsraum zurückgekehrt. Für den August-Macke-Raum isolierte er das Efeumotiv aus seinem Tosa-Zyklus und verwendete es als…