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Titel: Kunst und Humor · von Jürgen Raap · S. 148 - 175
Titel: Kunst und Humor , 1992

Der rheinische Kosmos

SINNLICHKEIT IN LATEINISCHER TRADITION

VON JÜRGEN RAAP

In den achtziger Jahren inszenierte Jürgen Klauke in mehreren Performances, Buchprojekten und Fotoarbeiten die “Formalisierung der Langeweile”. Ein Video aus dieser Werkserie zeigt ihn – mit einem Eimer über den Kopf gestülpt – zu Weiberfastnacht auf dem Kölner “Alten Markt” mit kostümierten Jecken schunkelnd.

Bernhard Johannes Blume stellte sich auf einer Fotoarbeit als “Kölner Künstler” mit Narrenkappe dar, der weit aufgerissene Mund ist mit dem Schlachtruf “Kölle Alaaf” bedruckt. Für das von Friederike Petzold initiierte “Radio freies Utopia” hatten Blume und seine Frau Anna unter dem gleichen Titel “Kölle Alaaf” 1981 ebenfalls ein Videoband produziert: Beide sind in die Rolle eines Normalbürgerehepaares geschlüpft, das mit Luftschlangen und Stimmungsmusik im trauten Heim Karneval feiert, unter (vorgespieltem) Alkoholeinfluß grölend und Grimassen schneidend. “Hier steht der Humor auf der Kippe zur existentialistischen Verzweiflung. Wir haben sehr unter dem ritualistischen Element des organisierten Karnevals gelitten, als wir damals von Dortmund nach Düsseldorf und dann nach Köln zogen”, erklären die Blumes zu dieser Karikatur massenhaft wirksamer Frohsinnszeremonien und deren Enthemmungseffekt, der eher Grauen hervorruft.

Die genannten Beispiele sind freilich thematische Ausnahmefälle im Kunstschaffen zwischen Düsseldorfer Schloßturm und Kölner Dom. Jürgen Klauke wie das Ehepaar Blume konnten auch nur in der sehr betonten ironischen Distanz zum Fastnachtstreiben eine tiefsinnige künstlerische Haltung offenbaren, die existentielle Defizite und Verwerfungen in der Gesellschaft mit Mitteln der Groteske aufzeigt. Glitter und Glimmer hat die domstädtische Kunstszene zwar nie gemieden, wohl aber allzu große Nähe zu den folkloristischen Umtrieben, die das Image der Stadt selbst heute…

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