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Titel: Kunst und Humor · von Hartmut Kraft · S. 108 - 113
Titel: Kunst und Humor , 1992

Wer lacht wann und warum mit wem oder über wen oder was?

PSYCHOANALYTISCHE NOTIZEN, U. A. ZU JEFF KOONS

VON HARTMUT KRAFT

Eine Situation wie eine Führung. In der großen Halle des Ludwig-Forums in Aachen steht die Gruppe um den Blickfang, die überlebensgroße Skulptur von Jeff Koons, herum, herum um den dargestellten hüllenlosen Jeff Koons, wie er, auf den linken Ellenbogen gestützt, seiner ihm Angetrauten in das verzückte Gesicht schaut. Sie, das linke Bein leicht angewinkelt, sehr leicht bekleidet, hält die Augen geschlossen und den Mund leicht geöffnet. Während die Augen der Umherstehenden mehr oder minder (offen) neugierig die Plastik erkunden, hören sie Thomas1 zu, der mit seinen Ausführungen begonnen hat: “Jeff Koons’ Arbeiten beschäftigen sich mit einer Welt der professionellen transzendentalen Symbole mit verschiedenen gesellschaftlichen und metaphysischen Gleichgewichtsebenen und mit dem physischen und sozialen ‘Auf und Ab’ der Existenz.”2

“Na ja”, sagt Ignatius leise zu dem neben ihm stehenden Drogentherapeuten, dem er sich vor Beginn der Führung vorgestellt hatte, “Auf und Ab, ich weiß nicht. Es geht eigentlich doch erst einmal um eine Verführungsszene, nicht wahr?” Der Angesprochene grinst, deutet zustimmend auf die Schlange, versucht dann aber, den Gesichtsausdruck des dargestellten Paares nachzuahmen, was hinreißend komisch aussieht. Ignatius kann sein Lachen nur mühsam unterdrücken. Ein an seinem Akzent als Österreicher erkennbarer älterer Besucher schaltet sich in das leise Gespräch ein: “Softporno, langweilig, sag ich Ihnen. Der Koons rennt nur noch die offenen Türen ein, die Beate Uhse vor Jahrzehnten geöffnet hat!”

“Genau”, pflichtet Ignatius ihm bei, “sag ich doch. Das ist krampfhafte Gagsuche. Das…

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