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Titel: 57. Biennale Venedig - Analyse · von Amine Haase · S. 58 - 73
Titel: 57. Biennale Venedig - Analyse , 2017

Die Zukunft war gestern

Christine Macel feiert mit „Viva Arte Viva“ Kunst im Rückblick und überlässt die Suche nach neuen Bildern nationalen Pavillons und Ausstellungen in Venedig
von Amine Haase

Wahrscheinlich hat Leonard Cohen recht: “Oh everybody knows, everybody knows.“ Aber eigentlich will kaum jemand es so genau wissen – bis das schon lange Leck geschlagen Schiff tatsächlich sinkt. Wir stehen am Ufer und schauen auf die treibenden Wrackteile. Und einige rufen „Viva“, weil das Treibgut so hübsch ausschaut, weil es so viel ist, was an unseren Augen vorbeizieht, überhaupt: ist so ein Untergang nicht wunderschön? Was wir verloren haben, werden wir später sehen. Erst einmal genießen wir das Endspiel. Viva.

So war es ganz gewiss nicht gemeint, als Christine Macel die 57. Biennale von Venedig als Fest der Kunst, unabhängig von theoretischem Ballast und ideologischer Vereinnahmung ankündigte. „Viva Arte Viva“ lautet das zuversichtliche Motto – das dann in Venedig kaum fröhlicher klingt als ein Pfeifen im Walde. Liegt es an der von Macel ausgewählten Kunst, an der Art sie zu präsentieren, an dem in Venedig notorischen Zuviel oder an einem generell anders fokussierten Blick in Problem-beladenen Zeiten? Wie auch immer – selten hat so viel gute Absicht zu einem so schlechten Ergebnis geführt. Die Strukturierung in neun thematische Kapitel, die auf dem Papier der Vorankündigung cartesianische Logik und Überschaubarkeit erhoffen ließ, erweist sich in der Praxis als didaktisches System, das der Kunst nicht die versprochene Freiheit lässt, sondern sie doch wieder in Themen-Käfige sperrt….


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