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Titel: 57. Biennale Venedig - Analyse · von Michael Hübl · S. 74 - 85
Titel: 57. Biennale Venedig - Analyse , 2017

Melancholie der Muße und des Mitmachens

Kursorische Beobachtungen zum Stand der Kunst zwischen Partizipation und edler Gesinnung
von Michael Hübl

Drei Schwestern: Elizabeth, 20. Francesca, 6, und Angelica, knapp 5. Alle drei: bei lebendigem Leib verbrannt. Sie schliefen, als mit einem Molotov-Cocktail ein Anschlag auf das Wohnmobil verübt wurde, in dem sie mit ihren Eltern und ihren acht Geschwistern lebten. 13 Menschen insgesamt, Roma. In Rom, der Stadt, deren Name dem ihres Volkes so ähnlich ist, führten sie ein Nomadendasein, fanden ihren letzten Standplatz auf dem Dach eines Supermarkts im Stadtteil Centocelle – keine Gegend, in der Touristen Relikte des Imperium Romanum oder aristokratische Prachtbauten suchen. Rache soll das Motiv gewesen sein. Es gab Beileidsbekundungen von Bewohnern des Viertels, aber offenbar auch Stimmen, die meinten „Recht so!“1

Die Nachricht von dem Verbrechen erschien in den italienischen Zeitungen an einem Tag, als bei der Biennale di Venezia just ein Wohnwagen gesteigerte Aufmerksamkeit fand. Wurde doch an diesem 11. Mai 2017 der Österreichische Pavillon eröffnet, in dem neben Licht-Objekten/Licht-Räumen von Brigitte Kowanz, Arbeiten von Erwin Wurm ausgestellt sind – One Minute Sculptures, zu denen auch ein Wohnanhänger mit dem Wiener Kennzeichen W800.731 gehört. Aus den Wänden des Gefährts sind an allen Ecken und Enden kreisrunde Öffnungen herausgesägt, so dass Wurms Performer hier mal ein Bein, dort einen Arm heraushängen können. Das erinnert beinahe an Pieter Bruegels d.Ä. Gemälde „Die niederländischen Sprichwörter“2 und an das Ei, das dort auf zwei Beinen läuft, oder den Mann, dessen Oberkörper samt Kopf in…

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