VI. Der Pavillon der Schamanen
Viele Künstler stellen sich der Definition des Künstlers als „Schamanen“. Dieses Bild von Joseph Beuys bekommt, so Macel, eine neue Dimension in einer Zeit, in der der Bedarf für Bedeutung und Spiritualität größer ist denn je. In diesem Kontext werden Geschichten erfunden und gezeigt, die versuchen die Ruinen der Vergangenheit und die Wunden der Gegenwart zu überschreiten. Einige Künstler versuchen so, in einem post-kolonialen Kontext, Sklaverei und Ausbeutung a posteriori zu vertreiben und so eine Art Reinigung vorzunehmen. Auch das Streben nach dem Heiligen, wie es seit Beginn des 21. Jahrhunderts ein bekanntes Phänomen ist, kommt in diesem Pavillon zum Vorschein.
Ernesto Neto, Naufus Ramírez-Figueroa, Rina Banerjee
„Ernesto Neto ist als Künstler fasziniert von dem indigenen Volk, welches im Amazonasgebiet Brasiliens und Perus zuhause ist. Ihre ersten Kontakte mit der Zivilisation waren für die Huni Kuin, so der Name der Ur-Bevölkerung, traumatisch, insofern brasilianische Gummiplantagenbesitzer die Mehrheit ihrer Ethnie auslöschten. Die Überlebenden sind heute dabei, sich wieder auf ihre Traditionen, Rituale und verschütteten Praktiken zurückzubesinnen. In Gesprächen, angesichts der Lage im Westen, sagten sie zu Neto: „Ihr im Okzident seid auf keinem guten Weg. Wir sehen ständig Kranke und Unheil, weshalb wir beschlossen haben, zu Euch zu kommen. Um etwas für Euch zu tun, sind wir bereit, das Land am Amazonas zu verlassen.“ So machten sie sich auf die Reise, um für die Biennale Rituale zu vollziehen.“ Christine Macel