JOHANNES MEINHARDT
Erhellende Konstellation
LOUISE LAWLERS PHOTOGRAPHIEN UND INSTALLATIONEN
1. Register der Orte und Situationen
Kunstwerke sind eigentümliche Gegenstände; sie scheinen eine klare und unproblematische Identität zu besitzen – eine Identität als etwas, das zeigt, sich zeigt und gezeigt wird –, deren naheliegendste und natürlichste Existenzweise anscheinend die temporäre oder permanente Ausstellung ist: sie macht die Arbeiten sichtbar, exponiert und präsentiert sie, und realisiert ihre wesentliche Verfassung – Sichtbarkeit. Aber schon die Frage, was im Kunstwerk sichtbar wird, spaltet die selbstverständliche Identität von Kunstwerken (vor allem von flächigen Kunstwerken) auf. Denn noch vor jeder konkreten Beantwortung dieser Frage zeigt sich, dass ein Kunstwerk völlig unterschiedliche Typen oder Existenzweisen von Objekten zeigt – es zeigt etwas Bestimmtes, es zeigt sich, es wird als etwas gezeigt –, dass das, was es sichtbar macht, schon für einen ersten fragenden Blick verschiedenen Gegenstandsordnungen zugehört. Was also in einer Ausstellung sichtbar wird, ist nicht ein bestimmter Wahrnehmungsgegenstand mit dem Namen ‘Kunstwerk’, sondern ein Gefüge unterschiedlicher Typen von Gegenständen, die fast nichts miteinander zu tun haben – auch wenn sie sich alle auf dasselbe materielle Objekt berufen. Dieses Objekt tritt in viele unterschiedliche Gegenstandsordnungen zugleich ein und wird jeweils zu einem anderen Wahrnehmungsgegenstand, es wird jeweils anders, als etwas Anderes wahrgenommen.
Der traditionellen europäischen Ontologie folgend, gehören Kunstwerke nicht einer der beiden ontologischen Substanzen an, der ausgedehnten oder der denkenden Substanz, den Objekten oder den Subjekten, und auch nicht dem Bereich, in dem sich die beiden Substanzen unlösbar verbinden, ohne sich zu mischen, dem Bereich der Zeichen – in denen…