Michael Hübl
Ruhmeshalle oder Künstlerfalle?
»Preis der Nationalgalerie für junge Kunst«
Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart, Berlin, 29.9.2000 – 6.1.2001
EWG hieß ein Ratequiz, das noch zu Zeiten von Nylonhemden und HB-Männchen die Nation vor die grau schimmernden Flimmerkisten bannte.1 Der Titel spiegelte bieder-bundesrepublikanischen Feinsinn. Zum einen signalisierte er Weltläufigkeit und demokratische Bündnistreue, denn das Kürzel stand damals noch für Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Zum anderen nannte es unverhohlen, worauf es ankommt. Lautete doch das Motto, unter dem die Sendung firmierte: Einer wird gewinnen. Das wussten auch die vier Künstler, die beim “Preis der Nationalgalerie für junge Kunst” in die engste Wahl genommen wurden. Zur Hoch-Zeit von Hans-Joachim Kulenkampff und seiner jugendfreien Samstagabendunterhaltung mochten die vier vielleicht gerade den Kindergarten besuchen oder machten gerade erste Bekanntschaft mit der Mengenlehre, auch ein Hit jener Zeit. Einer der Nominierten jedenfalls, Jahrgang 1968, setzte 100-prozentig auf Gewinn. Multiple Choice? Einfach alle ankreuzen. Christian Jankowski hat erst einmal so getan, als sei das gesamte, per Jury ermittelte Quartett, ihn eingeschlossen, Preisträger geworden. Er hat professionelle Redenschreiber beauftragt, Laudationes zu verfassen – auf ihn, Jankowski, und auf seine Mitbewerber: Olafur Eliasson, Katharina Grosse und Dirk Skreber.
Die Beiträge wurden am Originalschauplatz, im Hamburger Bahnhof, gefilmt und sind Musterbeispiele des gängigen Vernissagenwesens. Da ist etwa die kraftvoll raunende Kunstfreundin, die mit rauchig-entrücktem Timbre Olafur, den Isländer, rühmt: “Die Nationalität spielt keine Rolle,” sagt sie. Jede Silbe ist sanft artikuliert und in weihevolles Wohlwollen gebettet: “Mit der Präsentation ihrer Werke verbinden und verbünden sie sich mit uns”. Eine romantische Künstlerapotheose, die…