Freya Stark
Philosophie des Reisens
Es wird gewöhnlich angenommen, daß der Reisende, der einsame Gegenden vorzieht, der Wüsten-Reisende sozusagen, jemand ist, der seiner Welt und seinen Mitmenschen entfliehen will. Nach weitverbreiteter Auffassung haftet seinen Fahrten ein Zug von Menschenfeindlichkeit an. Die kleinen Dinge des Alltags sprechen ihn nicht an; zwischenmenschlicher Umgang – dies wackelige Kartenhaus, das mit solch feiner und gewissenhafter Arbeit durch die Jahrtausende hindurch aufgebaut worden ist, das trotz jeder bedrohlichen Umwälzung noch steht, aufgrund der bloßen Tatsache, daß jede Karte gegen die anderen lehnt – dieser begrenzten und unbegrenzten Struktur der Zivilisation soll er Abneigung gegenüber empfinden, sie soll die Lebenswelt sein, von der er sich abkehrt.
Ich möchte eine weniger negative Interpretation des Verlangens, das Männer in die Wildnis treibt, anbieten. Die Lord Byrons dieser Welt,
»Tired of home, of wife, of children tired, The restless spirit is driven abroad to roam«,
sind meistens täuschende Geister. Ich habe das Gefühl, daß sich sogar Lord Byron in mittleren Jahren wahrscheinlich an ein häusliches Leben gewöhnt hätte, wenn sein Schicksal den Lebensfaden nicht so kurz bemessen hätte. Die Unzufriedenen sind von allen Menschen am wenigsten fähig, es lange mit sich selbst auszuhalten; und derselbe Stachel, der sie in die Wildnis hinausgetrieben hat, wird sie wieder heimwärts treiben.
Der wahre Wanderer, dessen Reisen Freude und Zufriedenheit bedeuten, zieht nicht hinaus, um zu meiden, sondern um zu suchen. Wie der Maler an seiner Staffelei, bewegt er sich ständig, um die rechte Perspektive zu finden, und spürt, obwohl ein halbes Land bis zum weiten Horizont sich…