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Titel: Urban Performance I · von Joanna Warzsa · S. 146 - 157
Titel: Urban Performance I , 2013

Joanna Warsza
Post-kommunistische Eigenheiten Warschaus

Kunst, Architektur und städtische Anstrengungen

Juden! Landsmänner! (…) Kommt zurück nach Polen, in euer Land!“ – dieser verzweifelte Ruf im verfallenen kommunistischen Stadion in Warschau, das in Yeal Bartana´s berühmten Video „Mary Koszmary“ („Alpträume)“ von 2007 zu hören ist – enthält auch ein Zukunftsversprechen. Die hilflose Rede an die leeren, mit Gebüsch überwucherten Tribünen wurde tatsächlich nur von den vietnamesischen Händlern gehört, die am oberen Rand des Stadions ihren Geschäften nachgingen. Sie sind diejenigen, die nach Polen ‚zurückkehrten’, sie sind die modernen Unsichtbaren, die die Homogenität der Stadt durchbrechen, und die Konstrukteure der „New Economy“ auf den Ruinen der kommunistischen Sportarena. Wahrscheinlich wählte Bartana das Gelände auch aufgrund seines Fundaments und seiner Baumaterialien für den ersten Film ihrer Trilogie „Und Europa wird überwältigt sein“ – es wurde 1954-55 aus dem Bauschutt des vom Krieg zerstörten Warschau und vor allem aus den Überresten des Warschauer Ghettos errichtet. Das „Stadion des 10. Jahrestages“ wurde entworfen, um den guten Ruf des Kommunismus vierzig Jahre lang zu bewahren. Paradoxerweise waren die wichtigsten Ereignisse während dieser Zeit aber die Selbstverbrennung von Ryszard Siwiec 1968, die Papstmesse 1983, und ein Konzert von Stevie Wonder 1989. Ab Mitte der 80er wurde die Anlage definitiv nicht mehr als Sportstätte genutzt, und in den frühen 90ern entstand die Infrastruktur des selbstorganisierten Markts von selbst. Die leere Arena wurde von der nordvietnamesischen Intelligenzija (herausragenden Studenten mit Stipendien in Polen) „wiederbelebt“ zusammen mit russischen, polnischen und östlichen Häuserblock-Händlern, den Pionieren des frühen europäischen Kapitalismus, die hier ihr Warensortiment…


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