Sigrid Feeser
Religion Macht Kunst.
Die Nazarener
Schirn Kunsthalle Frankfurt/Main, 15.4. – 24.7.2005
Madonnen porzellanzart und Marzipan-Heilige gleich schockweise. Ernsthafte junge Männer im Halbprofil, bewegungslos, mit großen dunklen Augen. In der zur Bildergalerie umgewidmeten Frankfurter Schirn Kunsthalle steht die Zeit still. Luftlos, schönfarbig und glatt hängen die Bildwerke an den Wänden. Blass der Gedanke, blutleer die Malerei. Keine Leidenschaft, kein Aufbegehren pocht in den wie eingehegten Figuren, die die scharfe und klare Kontur unerbittlich von der Welt trennt. So fromm, so still, so mausetot. Selbst die Märtyrer kennen kein Blut und keinen Schmerz.
Die Nazarener sind zurück! Achtundzwanzig Jahre nach der epochemachenden Ausstellung im Städel gibt man dem ungeliebten Zweig der Romantik wieder die Ehre. Und man fragt sich nach der Legitimation solchen Tuns. An der oft diskutablen Qualität der Bilder allein kann es nicht liegen. Im Gegenteil. Die Zentralfiguren des rückwärts blickenden Aufbruchs der “Lukasbrüder”, Friedrich Overbeck, Peter Cornelius, der früh verstorbene Franz Pforr waren bedeutende Talente. Julius Schnorr von Carolsfeld ist als Zeichner von Rang unumstritten.
Anders steht es um die Frage nach der kulturpolitischen Brisanz der aus deutschem Mittelalter, italienischer Renaissance, Idealismus und Sturheit, privater Idylle und reformerischem Engagement zusammengebrauten Ideologie der Gruppe. Historisch gesehen haben die sich in ein reines und frommes katholisches Mittelalter zurückträumenden Nazarener zwar religiös keimfreie Bilder gemalt, aber keine echte Renaissance christlicher Werte angestoßen. Dazu waren sie zu schwach. Sie blieben eine schon von den Zeitgenossen belächelte Episode, trotz oder gerade wegen des Rattenschwanzes von religiösem Kitsch, den…