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Titel: Lebenskunst als Real Life · von Regina Behrendt · S. 212 - 232
Titel: Lebenskunst als Real Life , 1998

REGINA BEHRENDT UND GÜNTHER JACOB
Abstandnahme

DIE GESTALTUNG DES LEBENS NACH DER NIEDERLAGE DES POLITISCHEN SUBJEKTS

I. Das Ressentiment

Es gibt Themen, über die läßt sich schreiben, ohne diese auf sich selbst zurück beziehen zu müssen. Wo über Politik, Ökonomie oder kulturelle Ereignisse geschrieben wird, scheint der Gegenstandsbereich meistens vollkommen außerhalb der Person der Autorin oder des Autors zu liegen. Die Schreibenden wissen zwar, daß diese Dinge und jene Ereignisse sie mittelbar oder sogar sehr unmittelbar tangieren können, aber die Dinge und Ereignisse erscheinen dabei als etwas von außen auf die Person Einwirkendes. Diese ist dann vielleicht betroffen und eingeschränkt, aber als Person nicht in Frage gestellt. Viele Themen lassen sich als solche behandeln, die einer äußeren Welt und somit einem die eigene Person weniger bedrängenden Terrain angehören. Diese Themen gehören sozusagen dem Register des Objektiven an, in dem ein analytisches und strategisches Sprechen nicht nur möglich ist, sondern ausdrücklich erwartet wird. Wer sich in diesem Register bewegt, kann – ohne die eigene Praxis in die Betrachtung einzubeziehen – beispielsweise behaupten, der allgemeine “Trend zur Individualisierung” und zur “spielerischen Selbstinszenierung” wäre inzwischen so weit gediehen, daß Menschen heute willkürlich ihren “Beruf in der Mitte der Karriere wechseln” würden. Es ist auch möglich, daß in Anthologien, die einem solchen Thema gewidmet sind, ähnliche Schlußfolgerungen regelmäßig wiederholt werden, obwohl die im Buchanhang mitgelieferten Hinweise zu den Biographien der Autorinnen und Autoren diese weitgehenden Schlußfolgerungen sehr stark relativieren. Denn wir finden dort häufig lückenlose und geradlinige Hochschulkarrieren verzeichnet, in denen zwischen Studium, Promotion, Forschungsstipendiat, wissenschaftlicher Mitarbeit,…


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