3. Ästhetik der Lebensorte
Die Hütte also als Refugium. Es könnte auch ein Turm sein, wie Montaigne einen bewohnte oder Friedrich Hölderlin, der hoch über dem Neckar in Tübingen in seinem Turmzimmer tage- und nächtelang auf und ab ging. Eine Bibliothek ist nicht ausgeschlossen. Auch eine Laube ist denkbar, wie zum Beispiel das “vordere Cabinett”, wo sich Jeremias Gotthelf in Lützelflüh zum Ausruhen aufhielt, oder ein Schrebergarten-Häuschen, Inbegriff deutscher Innerlichkeit, eine Datscha, ein Zelt. Der heutigen Zeit am angemessensten wäre zweifellos ein Wohncontainer. Unter Umständen könnte es auch nur eine anonyme Busstation sein, auf der man im Verlauf einer langen Reise Halt macht, ein Unterstand in den Bergen, einfach ein beliebiger Durchgangsort. Denn im Provisorium zu leben ist immer besser als im Endgültigen, sagt Gaston Bachelard.
Aurel Schmidt
Lebensräume haben Fenster, in denen “Der Rest der Welt” erscheint. Sie haben heiße bis kalte, brisante, empfindliche bis harte Zonen. Es bilden sich Randbereiche, Ränder, Zentren, Verbindungen, Kanäle, Bunker, Flächen, Verdichtungen, Quellen, Schächte, Schnittstellen, schwarze Löcher, Lifte. Es gibt Stellen, die ziehen ab wie ein Abfluß, man wird verwirbelt und weiß nicht, wo man rauskommt. Oder der Besuch trifft unsere Situation wie einen Schuß, der alles zum Abstürzen veranlaßt. Ein Termin ist ein Berg. Ein Essen ein Bad. Hölderlin ist eine Leuchte. Manche sind Klötze. Der Mensch ist eher ein Affe, ein Tarzan, der sich in einem Dschungel, den er nie vollständig überblickt, bewegt, an Leitlinien, Leitplanken, Richtlinien und Markierungen entlang hangelt. Stränge laufen wie hot-lines durch die Stadt. Sie heißen “SEX” oder “BRATWURST” und…