Anish Kapoor
Scheitere oft, aber schnell
Ein Gespräch von Heinz-Norbert Jocks
Der Bildhauer Anish Kapoor, 1954 in Mumbai geboren und in London ansässig, einer der weltweit angesehensten Künstler unserer Tage, beschäftigt sich seit jeher mit der Frage des Chaos, das am Anfang von allem steht. Für ihn verweist die damit verknüpfte Unordnung auf den Leerzustand vor der Erschaffung des Kosmos. Jenen Weltzustand, da Himmel und Erde noch nicht geschieden waren. Kapoor hegt als Künstler großes Interesse für die Proto-Erfahrung der Dunkelheit. „Ich fühlte mich seit jeher von Angst- und Schwindelgefühlen, von Fallen und Hineinziehen angezogen“, so äußerte er sich einmal. „Dies ist eine Vorstellung des Erhabenen, die das Bild der Vereinigung mit Licht umkehrt. Eine Inversion. Eine Art von Inside-Out und eine Vision der Dunkelheit. Angst ist eine Dunkelheit, von der das Auge ungewiss ist, auf die sich die Hand in der Hoffnung des Kontakts dreht und in der nur die Einbildungskraft die Möglichkeit hat, zu entkommen.“
Die obsessive Vorliebe für dunkle Farben ist evident. Besonders die Neigung zur Farbe Rot, von der er sagt, dass sie den dunkelsten Farbton hat, sogar dunkler als schwarz. Einerseits ist sie die durch unsere Adern fließende Quelle des Lebens. Ihre Finsternis spielt hingegen auf das äußerste Ende an, eine Körperflüssigkeit ohne Sauerstoff. Das Ausgraben von Materialien ist für Kapoor eine Analogie zur Bergung des Unbewussten. Es impliziert das Aushöhlen und das Entfernen von Substanz, wobei das ausgegrabene Material für Kapoor das Ungesehene ist. Seine Nicht-Objekte, denen seine Neugierde gilt, befinden sich im Zwischenraum…