Dissonante Perspektiven
Hans Ulrich Reck
Erfolg, wider Erfolg
Erfolg, der unbedingt sein muss, nach Innen wie nach Außen, hat in den letzten Jahren Erscheinungsweise und Gestalt, Physiognomie und Charakter verändert. Zeugnis davon legt ab die Verwandlung der Apotheose des Erfolgs in die schiere, bedingungslos sich allenthalben setzende Ich-Behauptung. Diese folgt zwar dem Gebrauch von technischen Geräten, die an Seele und Identität nicht nur, wie früher, „mitschreiben“, um eine Bemerkung Nietzsche zu verwenden, sondern sich in diese hineingefressen haben, bis von ihnen nichts anderes mehr übrigbleibt als die Ausstülpung ihrer Spur von Markierungen, Verzeichnungen, Verbildlichungen. Die Ich-Apparate sind längst seriell, aber auch zum Maßstab aller Darstellungsbewertungen geworden: Ich-phone („I-phone“), Ich-pad („I-pad“), mit dem Gleichklang von „Auge“ und „Ich“ (Eye/ I). Instagram spätestens sichert die serielle Gleichheit des Erlebens als Leben aller, erwirkt durch Glättungen und Angleichungen. Der sarkastisch affirmierte Traum Andy Warhols, dass alle nun sich gleich sind, seelenlos, reine Oberfläche, ja: veritable Maschinen, scheint sich erst jetzt zu bewahrheiten – zumindest mir scheint der Traum ebenso affirmativ wie in seiner Bejahung abgrundtief sarkastisch: Seht, es ist nicht wir, was da läuft, wir laufen nur als Illusion mit.
Ego überall
Diese Diagnose erscheint inzwischen trivial und apokalyptisch zugleich, aber sie folgt nicht mehr dem Muster der alten Diagnose vom finalen Zerfall von Kultur, Identität, Zivilisation. Nachfolgender Bemerkung muss der Deutlichkeit halber vorangestellt werden, dass sie klar einzuschränken ist auf die saturierte Welt der Gesellschaften, deren Luxus auf Ausbeutung externalisierter Anderer und auch darauf beruht, dort ‚draußen‘ erbarmungslose Vernichtungskriege zu entfesseln, die man…