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Ausstellungen: London · von Edgar Schmitz · S. 389 - 389
Ausstellungen: London , 2006

Edgar Schmitz
Carsten Höller: Test Site

»Künstlerfalle«
Tate Modern, 10.102006 – 9.4.2007

Die geschwungenen und ineinander verschlungenen Rutschen ziehen sich wie überdimensionierte Würmer durch die ebenso monumentale Turbinenhalle der neuen Tate. Sie enden alle mehr oder weniger zusammen auf dem Hallenboden, wo Besucher auf Gummimatten ausgespuckt werden, und fangen auf den verschiedenen Ausstellungsebenen an. Anstatt sich vom Flur aus in die Sammlung zu begeben, können Besucher hier durch Röhre und mit Tuchunterlage dem Traum vom Fliegen nachgeben und dabei zumindest einen ebenso überdeterminierten, fast hemmungslosen Sturz in die Tiefe durchleben. Die längste der Rutschen ist 55 Meter lang, der ekstatische Fall durch ihre Windungen dauert so ungefähr zwölf Sekunden.

Die Phänomenologie des Spektakulären interessiert Höller natürlich erstmal als Reiz, extreme Wahrnehmungen zu ermöglichen. Als Allegorie auf künstlerische Modi und Wahrnehmungsangebote in der Gegenwartskultur sind die Rutschen als Superlative einer auf Sensationen ausgerichteten Erwartungshaltung an Kunst inszeniert. Ironisch, als überzogene Erfüllung karikierter Erwartungen, erfüllt die Arbeit den institutionellen Anspruch auf Erfahrungsmöglichkeiten, die mit der monumentalen Architekturhülle zumindest konkurrieren können oder sie vielleicht sogar gänzlich zu überformen in der Lage sein sollten.

Seit Eröffnung der Tate Modern haben die verschiedenen Großinstallationen der Leverhulme Series sich immer wieder willentlich oder nicht an diesem Erwartungsrahmen abgearbeitet. Von Louise Bourgeois’ Riesenspinnen (2000), mit denen die Serie bei der Eröffnung des Museums eingeweiht wurde, bis zu Anish Kapoor’s Marsyas (2002/03) der die Einladung am wörtlichsten nahm und eine Skulpturinstallation inszenierte, die außerhalb der Räumlichkeiten und Ressourcen der Tate Modern wohl wirklich nicht mehr zu realisieren gewesen wäre, haben die Hallenarchitektur…



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