ANNETTE WEISSER & INGO VETTER
Floral History oder Das Medium »Pflanze«
EIN GESPRÄCH VON BRIGITTE FRANZEN
Natur als Zeichen – Grillenzirpen ab Band
Brigitte Franzen: Was war der Anlaß, Euch mit dem Thema “Garten” auseinanderzusetzen?
Annette Weisser: 1995 sind wir nach Japan gefahren und wollten dort ursprünglich einen Videofilm machen. Der Film wurde erst zwei Jahre später fertig. Was uns in Japan aber sofort auffiel und worauf wir uns dann konzentrierten, war die Abwesenheit von öffentlichem Raum. In Tokyo, wo wir uns hauptsächlich aufgehalten haben, ist aufgrund der Enge und den daraus resultierenden horrenden Grundstückspreisen und Mieten jeder Quadratmeter kommerziell genutzt. Wo keine Läden sind, stehen mobile kleine Stände und Kioske, wo Bootlegs, T-Shirts oder die weggeworfenen und eingesammelten Mangas von gestern verkauft werden.
Ingo Vetter: In Europa ist das ja immer noch zumindest theoretisch eine wichtige Aufgabe von Stadtplanung, diese öffentlichen Räume und Plätze zur Verfügung zu stellen. In Tokyo gibt es – nach allem, was wir dort gesehen und erfahren haben – keine verbindliche Stadtplanung: Jeder kann bauen was und wo er will, vorausgesetzt, er hat das Geld dazu. Die Räume, die du als öffentlich empfindest, weil sich da viele Menschen aufhalten, sind vor allem Verkehrswege: U-Bahn-Passagen oder Bahnhöfe. Bei genauerem Hinsehen haben diese Räume aber einen durch und durch kommerziellen Charakter, weil etwa die einzelnen U-Bahnlinien privat betrieben werden von Gesellschaften, denen unter anderem auch die großen Kaufhäuser der Stadt gehören. Die Ausgänge der Haltebahnhöfe münden direkt ins Untergeschoß dieser Kaufhäuser, Übergänge sind kaum auszumachen.
Was spielt sich an diesen Übergangsorten bzw. Nicht-Orten…