PETER ARLT
Lästige Zonen – Gewöhnliche Orte
BERLINER ORTE, AN DENEN SICH DIE STADT SELBST BESICHTIGT
Gemeinsam ist den in Berlin besuchten Orten, daß sie mich ansprachen und mir auffielen. Allerdings nicht auf den ersten Blick. Sie nehmen einen unbewußt in Beschlag, lösen Gefühle aus, verändern Stimmungen. Es sind alltägliche, ja nüchterne Orte, die kein Tourist aufsucht. Orte an denen sich die Stadt quasi selbst begegnen kann. Sie sind für mich Orte der heit. Sie verkörpern jene selbstverständliche Unbestechlichkeit wie jene “Augenblicke der heit”, in denen urplötzlich hervortritt was letztlich Gewicht hat.
Ich nannte sie vorerst “Eigensinnige Orte”, später “Unbewußte” und schlußendlich “Gewöhnliche Orte”. Ich habe sieben Orte ausgewählt. Anfangs habe ich sie regelmäßig aufgesucht – mit Fotoapparat und Diktaphon (später nur noch mit Diktaphon). Je vertrauter mir die Orte wurden, desto langsamer bewegte ich mich dort, blieb stehen und versuchte, den Ort mit allen Sinnen aufzunehmen. Ich sprach alles, was mir in den Sinn kam – auch das Abstruseste, das, was man sich nur zum Spaß denkt – auf Band (“ecriture (parle) automatique”).
1. ORTSBESCHREIBUNG
Zu Hause begann ich zu schreiben. Ich hielt fest, was ich über den Ort wußte, mein Vorwissen, wo der Ort liegt, wo seine Grenzen sind, was ihn umgibt.1 Dann schrieb ich die Bandaufnahmen beinahe wortwörtlich ab.
Nachdem ich über vier Monate die Orte bewußt und regelmäßig aufgesucht hatte, entstand eine Sättigung. Ich hatte genug – mir fiel nicht Neues mehr ein und auf. Manches hatte sich zwar verändert, aber meine Beziehung zum Ort wurde dabei nicht ursächlich erschüttert.
Ich blieb daheim…