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Titel: Künstler als Gärtner · von Aurel Schmidt · S. 60 - 68
Titel: Künstler als Gärtner , 1999

AUREL SCHMIDT
Was ist Natur?

MÖGLICHER VERSUCH EINER UNMÖGLICHEN ERKLÄRUNG

Natur als Erkenntnis

In einer verfahrenen Situation wie dieser ist die historische Erklärung oft die praktischste, auch die unverfänglichste. Aber daß die Natur “das Sein im Ganzen”, also alles, was ist, umfasse, wie die Vorsokratiker meinten, oder daß sie als “entfremdeter Geist” daherkommt, wie Hegel zu verstehen gab, bringt die Sache sowenig weiter wie die Feststellung von Karl Marx, daß der Mensch die Natur in ein Lebens- und Produktionsmittel verwandelt.

Goethes Interesse galt dem anschaulichen Erfassen der Natur, weil jede Erkenntnis von materiellen Tatsachen ausgeht, die wir erfahren und durch Erfahrung erkennen. Aber dieser Empirismus wird nicht von allen geteilt, und das reine Anschauen ist im Zeitalter der Sehmaschinen, mit denen wir es heute zu tun haben, an seine Grenzen gekommen. Der Verdacht hat sich längst erhärtet, daß das, was von der Natur zu sehen ist, nicht mit dem übereinstimmt, was ihr Wesen ausmacht. Diesem Trugschluß kann heute wirklich niemand mehr erliegen.

Der Rationalismus wiederum kann freilich auch nicht die letzte Weisheit sein. Vieles deutet im Gegenteil heute darauf hin, daß eine neue Einstellung im Begriff ist, sich durchzusetzen. Die Natur wird als eine autonome Instanz anerkannt. Der Mensch ist darin entweder eingeschlossen oder er wird, was auch vorkommt, aus ihr ausgeschlossen, wie dies die fundamentalistischen Ökologen tun, die den Menschen als Schädling betrachten, der zum Schutz der Natur ausgemerzt gehört. Um der Reinheit der Natur willen, bis sie zur Idylle verkommt.

Selbstorganisation, dynamische Kooperation der Teile untereinander, Komplexität, das sind die heute geläufigen Orientierungspunkte in…


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