Christian Hasucha
»Günters Fenster«
Peter Funken sprach mit Christian Hasucha über seine Intervention in Mülheim a. d. Ruhr
Peter Funken: Mitte September 2000 hast du deinen Nachbarn, den 50-jährigen Frührentner Günter Schulz, samt seiner 12 qm großen Fensternische und der Einrichtung – also Möbeln, Bildern, Tischdecke u.s.w. – von seinem Wohnort in Berlin-Neukölln nach Mülheim an der Ruhr “verpflanzt”. In einer Art von aufgestelztem Zimmer hat Günter Schulz 14 Tage in einer belebten Straße in Mülheim zugebracht und eigentlich das getan, was er auch in Berlin tut: aus dem Fenster schauen. Die Aktion hast du “Günters Fenster” genannt. Was hast du damit beabsichtigt?
Christian Hasucha: Wie bei allen meinen Interventionen geht es mir auch bei “Günters Fenster” um das Prinzip der Fokussierung. Etwas, was in exemplarisch veränderter Konstellation zur Umgebung erscheint, wirft Fragen nach seiner Zugehörigkeit und Verortung auf. Das Exemplarische in diesem Fall war die Fenstersituation meines Nachbarn Günter Schulz, der seit 1994 allein in seiner 1-Zimmer-Wohnung wohnt und oft aus dem Fenster schaut. Ihn habe ich als Teilnehmer gewonnen – nicht als Ausstellungsobjekt, wie die Boulevardpresse verbreitete. Günter Schulz konnte in Mülheim tun und lassen, was er wollte, übernachtet hat er im Hotel. Seine Fensternische wurde, von außen gesehen, wie eine Modellfassade an eine belebte Straße gestellt, aufgeständert, um die gleiche Höhe und die gleiche geografische Ausrichtung wie in Berlin zu ermöglichen. Eigentlich kein ungewöhnlicher Anblick, nur die Kenntnis davon, dass sich jemand parallel zu seinem Herkunftsort in Berlin ins Ruhrgebiet versetzen ließ, machte die Sache ungewöhnlich. Diese Kenntnis erlangten die…