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Magazin · von Christiane Fricke · S. 503 - 503
Magazin , 2000

Hingepinseltes Engelsgewürm

»Kunst!« von Werner Schmalenbach

“Kleine, rosige, fleischliche Engelwesen” sah Werner Schmalenbach, späterer Gründungsdirektor der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf, “hingekrümelt über winzige Bildflächen, außerordentlich unschön, skurril und sicher auch senil”. Der Besuch bei dem alten belgischen Maler James Ensor im August 1945 war nur kurz, aber er erkannte, dass “dieses hingepinselte Engelsgewürm” Fleisch vom Fleische seines Meisters war und “die gleiche Weichheit, die gleiche Fleischlichkeit, die gleiche Transparenz” und willenlose Sinnlichkeit ausstrahlte.

Schmalenbachs nur wenige Monate nach Kriegsende unternommene Exkursion in das geheimnisvolle Reich Ensors steht am Anfang seiner im DuMont Verlag erschienenen Sammlung von Aufsätzen und Reden zur Kunst des 20. Jahrhunderts. Sie sind die Quintessenz einer über 50 Jahre dauernden Passion, die sich stets und zuallererst am Faszinosum Bild entzündete und nicht an theoretischen Problemen. Die Früchte seiner Leidenschaft sind in der Kunstsammlung zu besichtigen, die abenteuerliche Geschichte ihrer sinnlichen und geistigen Aneignung dagegen vermittelt dieses Buch.

Es ist eingeschlagen in einen feuerroten Umschlag und trägt ein dickes Ausrufezeichen hinter seinem Titel “Kunst!”. Auf einen kürzeren Nenner kann der 1920 geborene Museumsmann sein Credo schwerlich bringen. Die Kunst, so formulierte er in der an letzter Stelle abgedruckten, programmatisch “L’Art-pour-l’Art?” betitelten Rede von 1991, “kann sich gebärden, wie sie will: Sie kann sich sozial oder politisch engagieren, sie kann sich anti-ästhetisch austoben, sie kann den Rahmen der Kunst sprengen”. Aber, “sie wird immer nur als Kunst bestehen oder nicht bestehen.

Schmalenbach selbst träumte seit den 40er-Jahren von der Integration der Kunst ins Leben der Menschen, inspiriert teils durch die eigenen “sozialistischen Neigungen jener…

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von Christiane Fricke

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