Sprechende Sounds
Kodwo Eshuns “More Brilliant Than The Sun”
Da, wo mit Traditionen gebrochen wird, scheint plötzlich die Zukunft auf. Diese Momente sucht Kodwo Eshun. Zuerst, sagt er, sei sein Buch eine Studie der Vorstellungen von Zukunft in der Musik zwischen Sun Ra und 4 Hero. Das, was er dabei hört, nennt er “sonic fiction” und setzt es selbst in solche um. Dabei ist Eshun sehr darauf bedacht, nicht in die Konventionen des Musikjournalismus abzurutschen. Das Buch steckt voller Neologismen, Worten, deren Neukombinationen Erklärungswert suggerieren, die aber selbst nicht erklärt werden.
Eshun vermeidet Geschichte. Wer etwas über die biografischen oder zeitgeschichtlichen Hintergründe der von ihm beschriebenen Musik und Musiker wissen möchte, wird sie hier nicht finden. Das musikjournalistisch durchgesetzte Narrativ der individuellen Entwicklung anhand veröffentlichter Platten, wird von Eshun ignoriert. Er greift sich bestimmte Namen, Songs, Tracks, Plattencover, Lyrics heraus, kombiniert sie miteinander, und interessiert sich dabei nicht für die unterschiedlichen Herkünfte und Zeiten ihrer Entstehung. Dementsprechend taucht das Wort Tradition bei ihm auch nur in seiner zerbrochenen Form auf: “Trad”. Die englische Sprache hält für dieses Kürzel die Konnotation der Furcht und des Schreckens bereit, also etwas, das man als Last empfindet und vermeiden und loswerden möchte. In diesem Sinn ist Eshuns Buch auch ein Befreiungsschlag für das Schreiben über Musik.
Aber es gibt natürlich ein Motiv, dem Eshun in “More Brilliant Than The Sun” folgt. Es ist die Frage, warum Musik, die aus ihrer Tradition herausbricht und damit das Verständnis ihr gegenüber untergräbt, sich schließlich doch etablieren und eigene Traditionslinien bilden kann….