Martin Seidel
Von Angesicht zu Angesicht
»Mimik – Gebärden – Emotionen«
Museum Morsbroich, Leverkusen, 30.9.2000 – 7.1.2001
Giovanni Battista della Porta (um 1535-1615), Charles Le Brun (1619-1690) oder Johann Caspar Lavater im 18. Jahrhundert wussten genau, wie sich Freude und Schmerz, Liebe und Hass, Wollust und Scham in den Physiognomien der Menschen festschreiben. Wir wissen es nicht, auch nicht unbedingt nach dem Besuch der Ausstellung in Schloß Morsbroich Leverkusen, die sich unter dem unscharfen Titel “Von Angesicht zu Angesicht” dem Thema “Mimik – Gebärden – Emotionen” verschrieben hat.
170 Gemälde, Skulpturen, Handzeichnungen, Graphiken, Illustrationen, Fotografien, Videos und illustrierte Texte versammelt die Ausstellung, die eine Geschichte dieser immer wieder ge- und missbrauchten und doch nie recht etablierten Wissenschaft versucht, die – wie die Anatomie – ihren schrecklichen Höhepunkt in der Rassenlehre der Nazis hatte. Die sieben Kapitel “Ich”, “Rolle”, “Außen”, “Szene”, “Innen”, “Experiment” und “Kopf”, die sich wie die Kategorien einer Quizshow von Geisteswissenschaftlern für Geisteswissenschaftler lesen, sollen das Thema und die Fülle des Materials handhabbar machen.
Dabei geht es – was die Visualisierung der Themen anbelangt – bunt zu: Heroen finden sich neben Geisteskranken, Porträts neben Historien, Szenen des Abendmahls neben Karikaturen und wissenschaftlichen Illustrationen, Gegenständlichkeit neben Abstraktion, die Künstlerauswahl spannt den Bogen von Pollaiuolo hin zum Modefotografen Peter Lindbergh und von Mantegna hin zu Young British Artist, Tracey Emin.
Den Auftakt der Schau bilden die Rubrik “Ich” und ein Kopf von Sokrates, der nicht zu dessen Lebzeiten und nach dessen Vorbild, “ad vivum”, entstanden ist, sondern nach Idealvorstellungen und dem “Bild”, das man sich…