Paolo Bianchi
Das Atelier als Manifest
In Atelier und Werkstatt kommt es zur Sichtbarmachung (manifestatio) einer künstlerischen Haltung, Programmatik und Richtung. Das geschieht durch Üben und Forschen und durch Experimentieren an und mit ästhetischen Fragen und Phänomenen. Ein Kunstwerk wird im Atelier angedacht, entworfen und umgesetzt. Die Bedingungen für eine kreative Atmosphäre manifestieren sich durch Mobiliar, Material und Medialität der angesammelten Dinge, Techniken und Werkzeuge. Im Atelier wird Hand angelegt, sodass ein „handgreifliches, offenkundiges, bildhaftes“ (manifestus) Gestalten und Denken im Transfer von Kunst und Wissen sich zeigt. Der Begriff der „Hand“ (manus) verweist auf das Handwerk, aber auch auf ein Nachdenken über das Handwerk an sich, über die Wechselwirkung zwischen handwerklicher und diskursiver Praxis, zwischen unmittelbarer Anschauung eines Objekts und mittelbarer Vorstellung von Begriffen. Im Atelier des Malers vollzieht sich die „mit der Hand ausgeführte Arbeit“ (manufactura). Am Arbeitsplatz des Schriftstellers entsteht „mit der Hand Geschriebenes“ (manuscriptum), dass immer noch Manuskript heißt, auch wenn es über die Tastatur einer Maschine erstellt ist. Das Atelier ist zwar kein geschriebenes, jedoch ein gebautes und gestaltetes, ein räumlich und sinnlich erlebbares Manifest. (Vgl. als Vertiefung hierzu den Beitrag von Dominique von Burg in diesem Heft.)
Das Atelier als Topos und Modell
Das Atelier als Topos (griech. Ort) erzählt vom unauflösbaren Mysterium künstlerischen Tuns. Es ist behaftet mit der Aura des gänzlich Anderen, Besonderen und Genialen. Metaphorisch ins Bild gesetzt, kommt es einer Höhle für Geburt und Schöpfung gleich. Es bedient den Voyeurismus am Persönlichen, Privaten und am Bildakt. Es gewährt den Einblick in ein Innenleben, was…