Reinhard Ermen
Christiane Löhr
Alle Zeichnungen haben so etwas wie ein Rückgrat, das vermacht den meisten Blättern von Christiane Löhr ein Hochformat. Von hier aus tasten sich die Arme ins Weiß, von hier aus scheint die Zeichnung zu wachsen, wie ein Bau, der von einem imaginären (inneren) Gedanken ernährt wird. Zwar ist diese lebensnotwendige Zentralachse nicht immer konkret auszumachen, vielleicht geht es zuweilen auch ohne sie, aber sie scheint als eine Orientierung, als eine Art Landebahn die Organisation dieser Zeichnungen zu bestimmen. In manchen von Löhrs Arbeiten mit Ölpastell ist die Architektur allerdings so zugewachsen, dass nur noch einige helle Reste des Papiers übrig bleiben, dann fällt es nicht nur schwer, die Konstruktion wieder zu finden, die Arbeit entzieht sich auch partiell dem tastenden Blick, aber letztlich bleiben die Wege nachvollziehbar, bzw. konstituierend; die Gestalt vibriert im Dunkel, man fühlt die aufrechte Haltung im Zentrum des Formats. Es handelt sich um Liniengewächse, ihnen eignet so etwas wie eine angeborene (mediale) Natürlichkeit. „Das leere Blatt, die Bewegung, der Stift“, das sind für Christiane Löhr beim Zeichnen „Knallharte Tatsachen“. Diese nüchterne Faktizität wird am deutlichsten, wenn sie mit dem Bleistift arbeitet. Die kargen, nüchternen Pfade verlieren sich fast ohne Umwege, laufen immer dünner aus, bis sie verschwinden. Es gibt im übertragenen Sinne eine Art Decrescendo bis zum Verstummen. Die Lineaturen treten in einer geradezu radikalen Ökonomie auf, kein Strich ist zu viel. Die überflüssige Bewegung wäre die, die das Blatt ruiniert. Das ist eine Form des kontrollierten Selbstbewusstseins. Löhr spricht von „Auflösungen“ und…