Das Prinzip Obszön und die verlorene Subversion
HEINZ-NORBERT JOCKS IM GESPRÄCH MIT PETER GORSEN
Mit Peter Gorsen, als Professor für Kunstgeschichte an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien kurz vor seiner Emeritierung, setzt Heinz-Norbert Jocks seine mit Eduard Beaucamp und Jürgen Hohmeyer begonnene Gesprächsreihe mit Kunstkritikern fort. 1933 geboren, ist Gorsen für die FAZ als Kulturkorrespondent in Wien tätig. Er, vor allem bekannt geworden durch seine Betrachtungen zur “Sexualästhetik”, darin er sich mit Theorien zur Aufarbeitung von Obszönität und Pornographie durch die bürgerliche Aufklärung beschäftigte, ist den Grenzerfahrungen der Sinnlichkeit und dem Subversiven auf der Spur.
Heinz-Norbert Jocks: Sie hegen eine gewisse Sympathie mit dem Nichtnormativen, den Außenseitern und mit dem Feminismus. Was ist auf der Schwelle zum Ausgegrenzten erfahrbar?
Peter Gorsen: Eben das, was nicht im Mainstream mitschwimmt, von dort aus als Subversion rezipiert wird und was Alternativen, Widersprüche und Antagonismen anzeigt oder auf eine Antinomie stößt. Kurz, das Nonkonformistische und Spontaneistische in der Dialektik von Vernunft und Erfahrung.
Apropos Feminismus, Sartre äußerte sich in einem Gespräch mit Simone de Beauvoir, er würde gerne als Mann die feministische Bewegung unterstützen. Denken Sie ähnlich?
Anfänglich in feministische Debatten, Symposien und Ausstellungsplanungen einbezogen, wurde ich so etwas wie ein Frontwechsler und Saboteur. Das war kein Einzelfall mehr. Viele Männer, denen ich in Männergruppen begegnete, litten an ihrer zu stark entwickelten männlichen Identität, die sie deshalb los werden wollten. Andere hofften hingegen ihre zu schwach entwickelte feminine Identität zu stärken. Sie waren schwul und unsicher. Mich interessierten Geschlechtsidentifizierungen und Ich-Veränderungen des Paranoikers, für dessen kombinatorischen Deutungswahn ich…