OLIVER ZYBOK
Die Inszenierung von Körperlichkeit und Bewegung
Von Fabian von Auerswald bis Michael Jordan, von Lukas Cranach dem Jüngeren bis Michel Majerus
I. DER KÖRPER ALS ORIENTIERUNGSSYSTEM
Bereits in der Renaissance wurde der Körper erforscht, vermessen und in Proportionsnormen eingeordnet. Trotzdem war nur wenig gesichertes Wissen über Bau und Funktion des Körpers und seiner Organe vorhanden. Im Zuge des Aufschwungs naturwissenschaftlichen Denkens verbreitete sich erst seit dem 18. Jahrhundert ein zunehmend funktionales Verständnis vom menschlichen Körper, das zunächst überwiegend auf den Erkenntnissen der pathologischen Anatomie basierte. Diese stellte angeblich objektives Wissen über das organisch Innere des Körpers bereit und verstärkte die Imagination des Menschen als Maschine am Beispiel des Skeletts und der Muskeln.1 Doch das Zerlegen und Entdecken, Messen und Vergleichen, Abstrahieren und Interpretieren brachte keineswegs die Wirklichkeit zum Vorschein. Vielmehr ist und war die Deutung der Befunde immer geprägt durch die herrschenden Vorstellungen und die die Wirklichkeit konstruierenden Metaphern. Fiktive Momente standen eindeutig im Vordergrund! Der menschliche Körper sollte nicht nur anatomisch entdeckt, sondern auch bis ins Detail erforscht werden. Die Erfahrungen der vergleichenden Anatomie, die zu Spekulationen über psychische Merkmale, intellektuelle Fähigkeit und zur Bestätigung sozialer Positionen, insgesamt zu einer auf der Biologie basierenden Konstruktion der Wirklichkeit genutzt wurden, gaben die zentralen Argumente für die in dieser Zeit aufstrebenden Anthropologie. Diese versuchte, befreit von religiösen Dogmen, das Wesen des Menschen aus einer biologischen Perspektive zu ergründen. Aus der Absicht, die Semiotik des Körpers zu entziffern und zur Diagnose der gesamten Persönlichkeit heranzuziehen, entstanden unterschiedliche wissenschaftliche Richtungen, die mit Hilfe exakter…