vorheriger
Artikel
nächster
Artikel
Titel: Kunst und Sport · von Markus Huemer · S. 121 - 125
Titel: Kunst und Sport , 2004

MARKUS HUEMER
VON DER ERDMULDE ZUR HYSTERIESCHÜSSEL I

Bereits in der Antike waren Sportarenen Orte gesellschaftlicher Widersprüche: Einerseits waren die Massenversammlungsarchitekturen Ordnungsfaktoren; Massenfeste begünstigten politische Reglementierung. Andererseits boten Stadien den Ort für die Auflehnung eben gegen diese verordneten Normen. Die Feste provozierten Gegenaktionen derjenigen, für die die Inszenierung gedacht war. Die Stadionereignisse trugen nicht nur zur Entpolitisierung beziehungsweise durch Propaganda zur Indoktrination der Massen bei. In Krisenzeiten kulminierte vielmehr in den amphitheatralischen Anlagen der aufständische und revolutionäre Elan und griff nicht selten auf die Städte über.

Die griechischen Sportfeste dienten der Selbstbestätigung der herrschenden Oligarchie. In der Zeit der Gentilaristokratie verherrlichte sich im Sport die Arete des Adeligen. Von jedem aktiven Teilnehmer verlangten die Statuten der Spiele eine eidesstattliche Erklärung, dass er ein “Freier” war und sich ein Jahr lang auf die Wettkämpfe vorbereitet hatte. Den Sklaven und den ortsansässigen Fremden ohne Bürgerrechte, den Metoiken, war selbst das Zuschauen verboten.

Mit dem Aufkommen des Stadtbürgertums wandelt sich das aristokratisch-agonistische Prinzip in ein pragmatisch-athletisches. Platon entwarf differenzierte Strategien zur Erziehung der verschiedenen staatstragenden Schichten und versuchte damit einer Auflösung der aristokratischen Gesellschaft entgegenzuwirken. Doch auch unter diesen Voraussetzungen konnte nur ein kleiner Prozentsatz der Bürger die Sporttugenden aktiv ausprägen. Zur körperlichen Wohlgestaltetheit trat die Bildung hinzu.

Waren die Sportstätten in der Gentilphase an Kultstätten angeschlossen, so etablieren sie sich nun in den Stadtdemokratien als Ausbildungszentren der staatstragenden Schichten. Das Gymnasium mit dorischer Säulenhalle bildet sich zwischen dem zweiten und vierten Jahrhundert v. Chr. als gängiger Bautyp anstelle der Erdmuldenanlagen heraus. Es bestand aus dem Dromos…


Kostenfrei anmelden und weiterlesen:

  • 3 Artikel aus dem Archiv und regelmäßig viele weitere Artikel kostenfrei lesen
  • Den KUNSTFORUM-Newsletter erhalten: Artikelempfehlungen, wöchentlichen Kunstnachrichten, besonderen Angeboten uvm, jederzeit abbestellbar
  • Exklusive Merklisten-Funktion nutzen
  • dauerhaft kostenfrei