vorheriger
Artikel
nächster
Artikel
Gespräche mit Künstlern · von Dieter Buchhart · S. 186 - 197
Gespräche mit Künstlern , 2004

CHRISTOPH STEINBRENER
ICH VERSTEHE MICH MEHR ALS VERWALTER ODER DIEB, DENN ALS ERFINDER

EIN GESPRÄCH MIT DIETER BUCHHART

In “Unternehmen Capricorn” lud Christoph Steinbrener 2001 zehn österreichische Museen ein, in kleinen ehemaligen Geschäftsräumen temporäre “Dependancen” zu eröffnen. Die Auswahl der Exponate erfolgte durch die Hauskuratoren und Direktoren aus ihren überfüllten Depots. Was auf den ersten Blick wie eine aufwändige Werbeveranstaltung großer Museen wirkte, ließ jedoch bei genauerer Betrachtung ein subtiles künstlerisches Konzept erkennen. Die angebotene Gestaltungsfreiheit wurde bereitwillig angenommen, und die Inszenierungen gerieten zum Spiegelbild der Selbstdarstellung und des intendierten Repräsentationswollens der Museen. Die Wahl eines von Kleingewerbesterben und Bedeutungsverlust getragenen Ortes forderte die BesucherInnen geradezu auf, sich mit dessen sowohl historischen als auch sich verändernden Struktur auseinander zu setzen und verwies auf den gesellschaftlichen Umgang mit Wissen, Erkenntnis und Geschichte.

Steinbrener agiert im Überschneidungsbereich von Kunst und Nicht-Kunst, stets begleitet vom Anspruch, ein Gesellschaftsporträt erstellen zu wollen. In seinem bisher größten Projekt, der “Operation Figurini”, sucht er mit rund 800 MitarbeiterInnen den klassischen Autoren- und Werkbegriff im Sinne von Joseph Beuys’ sozialer Skulptur in Frage zu stellen. So bieten Marktverkäufer (Marktstandler) auf Wiener Märkten unterschiedlichen Wissensgebieten zugeordnet Multiplen von 56 internationalen KünstlerInnen an und wickeln die gekauften Objekte in jene von WissenschaftlerInnen zum selben Thema verfassten Texte ein. Dabei erfolgt die Vernetzung unterschiedlichster Bevölkerungs- und Interessensgruppen unter der Regie Steinbreners, der durch die Imitation der gewohnten Marktprozedur zugleich ein Spiel mit der alltäglichen Wahrnehmung treibt. Die MitarbeiterInnen und PassantInnen werden zum Teil eines Kunstwerkes, das nicht einem veralteten Geniebegriff nachhängt, sondern temporär…


Kostenfrei anmelden und weiterlesen:

  • 3 Artikel aus dem Archiv und regelmäßig viele weitere Artikel kostenfrei lesen
  • Den KUNSTFORUM-Newsletter erhalten: Artikelempfehlungen, wöchentlichen Kunstnachrichten, besonderen Angeboten uvm, jederzeit abbestellbar
  • Exklusive Merklisten-Funktion nutzen
  • dauerhaft kostenfrei